Bhakti Yoga

Bhakti-Yoga (Sanskrit, m., भक्ति योग, bhakti yoga) ist im Hinduismus die Bezeichnung für den Weg der liebenden Hingabe an Gott, der meist als persönlich angesehen wird. Bhakti hat eine eigene, sehr detaillierte Ausformung erfahren. Bhakti ist in allen Hauptrichtungen des Hinduismus, dem Vishnuismus, Shivaismus und Shaktismus zu finden. Dabei nutzt Bhakti Gefühle als einen Weg, Gott nahezukommen oder sich mit ihm zu vereinen. Meist setzt das eine dualistische Gottesvorstellung voraus, da man annimmt, dass Liebe ein Objekt benötige. Doch spielt Bhakti auch in der nichtdualistischen Advaita Philosophie eine Rolle, z. B. in der Hingabe an einen Guru, der als Verkörperung Gottes angesehen wird, oder in der Form eines Ishta Devas, d.h. einer persönlichen Gottheit, die das Absolute zum Zwecke der Anbetung verkörpert .
Die Verehrung kann viele Formen annehmen. Einige traditionelle Ausdrucksformen des Bhakti sind:
Japa - Die Wiederholung göttlicher Namen oder Mantren in Gedanken oder in Worten.
Kirtana - Rhythmischer Wechselgesang ebensolcher göttlicher Namen und Mantras. Dabei singt ein Sänger oder auch der Guru das Mantra vor, und die Gemeinde singt nach. Das Ganze wiederholt sich mit variierender Melodie und Worten.
Bhajans - Das gemeinsame Singen religiöser Lieder. Der Inhalt solcher Lieder sind meist Gedichte von Heiligen wie Mirabhai, Kabir, Tukaram und vielen anderen.
Pujas - religiöse Zeremonie bei der vor einer Statue oder einem Bildnis der Gottheit (oder auch eines Gurus) symbolisch Artikel wie Früchte, Reis, Licht und eine Kokosnuss dargebracht werden. Die Puja besteht normalerweise aus einer Anrufung (Avahanam) der Gottheit, sowie Lobpreisungen. Sie kann aus einem Gemisch von Sanskrit und der lokalen Sprache bestehen.
Seva - Dienst an der Gottheit. Jede Tätigkeit kann als Dienst an der Gottheit verstanden werden und ihr innerlich dargebracht werden. Dabei sollte man gemäß der Bhagavad Gita nicht an den Früchten der Handlung haften und sich selbst nicht als den Handelnden sehen. Diese Einstellung wird auch Karma Yoga genannt.
Inhaltsverzeichnis

1 Krishna-Bhakti
1.1 Liebesbeziehungen zu Gott
1.2 Wesen der Krishna-Bhakti
2 Shiva-Bhakti und Devi-Bhakti
3 Andere Formen des klassischen Yoga
4 Zitate

Krishna-Bhakti

Die Motivation der Krishna-Verehrer (Bhaktas) ist die Steigerung der Freude Gottes. Die vervollkommnete Form dieser Geisteshaltung ist aber vergleichsweise selten zu finden. Der Großteil der Verehrer bewegt sich irgendwo auf dem Weg zur transzendenten Reinheit, wo alles durch reine Liebe (Prema) bestimmt wird. Daher erwähnt das Bhagavatapurana im dritten Buch die vermischte Bhakti, vermischt mit den drei Gunas der materiellen Welt (Prakriti).
Im Bhagavatapurana, einem zentralen Text der Krishna-Verehrer, erklärt Krishna:
Wer nichts mehr für sich haben will, der Gezügelte, der von Frieden Erfüllte, dessen Seele den Einen in allem erkennt, der in Mir nur seine Befriedigung findet, für den sind alle Weltgegenden voller Glück. Nicht wünscht er die Herrlichkeit des Schöpfers der Welt (Brahma), oder des Königs des Himmels (Indra) oder Herrschaft über alle Erde oder Gewalt über die Reiche der Unterwelt, weder Yogamacht (Siddhis) noch Befreiung (Moksha). Er wünscht nur das eine, sein ganzes Wesen Mir hinzugeben, sonst wünscht er nichts. (Bh. 11.14.13-14, zitiert aus "Die indische Gottesliebe" von Walther Eidlitz)
Das Singen oder Sprechen (kirtana) der Namen Gottes wird von allen vier Hauptschulen der Vishnu-Bhakti hervorgehoben. In vielen Krishna-Tempeln Indiens wird ohne Unterlass gesungen, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. "Bhaja Govinda", "Haribol", "Bolo Krishna" und "Bhaja Gauranga" sind nur wenige Beispiele, wie durch die Schriften oder den Volksmund auf den Namen Gottes aufmerksam gemacht wird. Die Schriften erklären, der Name Gottes und Gott selbst seien identisch. Wer sich in der Haltung der Bhakti dem Singen oder Sprechen widme, dem leuchte diese innere Erkenntnis auf. Das wird Sphota (das Aufbrechen des Wortsinnes) genannt. Die vorher einzig wahrnehmbare Schattenhülle des Namens, der durchs Ohr gehörte Klang, ziehe sich zurück, und der ewige, reale Name mache sich aus eigener Initiative in seinem wahren Wesen erkennbar. "Das Singen hat zur Folge, dass man seine Liebe zu Krishna erweckt und göttliche Glückseligkeit (Ananda) erfährt. Schließlich erlangt man Krishna und bekommt den Nektar der liebevollen Widmung, als ob man in ein großes Meer der Liebe tauchen würde", wird als Grund und Ziel des Singens im Chaitanya Charitamrita (3.20.14) erwähnt.
Das Brihan-naradiya Purana (38.126) betont dies durch dreifache Wiederholung: harer nama harer nama harer nama... Durch diesen Vers wird die Bedeutung des "Namens von Hari" (ein Name Krishnas/Vishnus), für unser gegenwärtiges Zeitalter betont.

Liebesbeziehungen zu Gott
Die Erweckung und Entfaltung der Liebe zu Gott (Prema) gilt als Vollkommenheit. Daher handelt Bhakti Yoga in erster Linie von Beziehungen. Rasa (göttlicher Wohlgeschmack) ist die ewig-frische Freude der 5 Hauptbeziehungsarten in Vraja (Vraja ist eine in sich unbegrenzte "Örtlichkeit" innerhalb der spirituellen Welt und gilt unter den Krishna-Bhaktas als das höchste Liebesreich Gottes. Daher wird Krishna in den Schriften Rasaraja, der König aller Liebesgeschmäcker, oder Akhila-rasa-amrita-murtih, das Behältnis aller Arten von Liebesgeschmack, genannt.)
Die 5 Hauptbeziehungen zu Gott
Shanti-bhava: Die neutrale Beziehung, die in der Gewissheit, der sie tragenden Liebe Gottes, mit tiefstem göttlichem Frieden erfüllt.
Dasya-bhava: Die unermüdliche Liebe eines treuen Dieners zu seinem geliebten Herrn.
Sakhya-bhava: Freundschaftliche Liebe. In Vraja gehören die jungen Spielkameraden zu dieser Gruppe. Durch göttlichen Einfluss vergessen diese Freunde die allmächtige Position des Herrn, damit die liebenden Gefühle der Freundschaft und Ebenbürtigkeit nicht behindert wird.
Vatsalya-bhava: Elterliche Liebe. Krishna offenbart sich als Kind und der Bhakta ist durch göttlichen Einfluss überzeugt, er ist mein eigenes Kind, das sie liebend umsorgen. Yashoda und Nanda und auch die Ammen und Nachbarinnen in Vraja, gehören zu diesem Kreis.
Sringara-bhava: Auch Madhurya-bhava genannt. Gottesliebe, ähnlich wie eine Ehefrau ihren Mann oder eine Geliebte ihren Geliebten liebt, ohne Absicht für persönliches Glück. Innerhalb dieser Gruppe bilden die Gopis (Kuhhirtenmädchen) in Vraja den intimsten Kreis der Gottliebenden.
Diese Beziehungen finden auf einer Ebene der Transzendenz statt, wo alle Beteiligten einen ewigen spirituellen Körper besitzen, frei vom Geist der Ausbeutung, frei von egoistischen Absichten.

Wesen der Krishna-Bhakti
Die Vaishnavas, jene die Krishna/Vishnu oder ihre Avatare durch den Vorgang des Bhakti Yoga verehren, verstehen sich als Monotheisten. Der höchste Herr ist Einer. Nach ihrer Lehre bleibt Krishna (Gott) immer Einer, obschon er sich grenzenlos vervielfältigen kann. Dies gilt als ein Aspekt der unbegrenzten Macht und demonstriert gleichzeitig seine Fähigkeit, sich selbst der Liebe jedes Einzelnen auf vielfältigste Weise zugänglich zu machen.

Shiva-Bhakti und Devi-Bhakti
Auch im Shivaismus und Shaktismus ist Bhakti-Yoga zu finden. In der Frühzeit der Bhakti-Bewegung war der Shivaismus stark vertreten, während spätere Gruppen und Philosophien auch stark ritualistisch und spiritualistisch ausgerichtet waren. Der populäre puranische Shivaismus enthält jedoch starke devotionale Anteile im Sinne des Bhakti-Yoga. Ab dem 12. Jahrhundert lehnte sich die Bewegung der Virashaivas oder Lingayats gegen vedisch-brahmanische Traditionen auf und bildete eine Shiva-Bhakti-Bewegung. Einige shivaitische Gruppierungen wie die Aghoris und die Gorakhnathis verehren auch ihre Stifter, die als Verkörperungen Shivas angesehen werden. Viele Gruppen, die als vishnuitisch gelten, verehren auch Shiva. Eine der größten Asketengruppen, die das Shivaratri-Fest begehen, sind die vishnuitischen Ramanandis. Noch ausgeprägter als im Shivaismus ist die Bhakti zu den Göttinnen im Shaktismus. Die Zahl der Gesänge und Hymnen, die Devi und ihren Erscheinungsformen gewidmet sind, ist umfangreich und die Verehrung der Göttin ist typologisch kaum von der Krishna-Bhakti zu unterscheiden.

Andere Formen des klassischen Yoga
Neben dem Bhakti Yoga definiert der Hinduismus zwei weitere spirituelle Pfade, welche zu den klassischen Wegen zur Erlösung (Moksha) zählen.
Jnana Yoga: Weg der Erkenntnis
Karma Yoga: Erlösung durch Taten ohne Anhänglichkeit
Manche Lehrer des Hinduismus, etwa Swami Vivekananda zählen noch einen vierten Weg dazu:
Raja Yoga: „Königsyoga“, verbunden mit Meditation.

Zitate
So manche kommen frei von Furcht zu mir, frei von Begehrlichkeit und Leidenschaft. Die Herzen halten sie auf mich gerichtet, und sind gereinigt durch der Liebe Feuer, und gehn beim Tode in mein Dasein ein. (Krishna in der Bhagavad Gita, 4.10)
Denke an mich, sei mein Bhakta, verehre mich und erweise mir deine Ehrerbietung. Auf diese Weise, unerschütterlich mit mir verbunden, wirst du mich, das höchste Ziel, erlangen. (Krishna in der Bhagavad Gita, 9.34)
Wer keinem Wesen Böses will und frei von Haß und Selbstsucht und barmherzig ist ... sich gänzlich mir ergibt ... der ist mir lieb. (Krishna in der Bhagavad Gita, 12.13-14)
Im Devi Bhagavata, einem wichtigen Text zu Ehren der Göttin, schließt Bhakti die Liebe zum Nächsten ein und lässt die Göttin selbst über ihren Bhakta, ihren Verehrer, sagen: Er sieht alle individuellen Seelen (jivan) in mir und liebt mich, wie er sich selbst liebt. Er macht keinen Unterschied zwischen den individuellen Seelen und mir, weil er denselben Geist in allem manifestiert sieht. (7.37.11-20)

Advaita Vedanta oder Satsang-Bewegung

Vedanta
(Weitergeleitet von Advaita Vedanta)


Vedanta (Sanskrit, m., वेदान्त, vedānta) ist neben dem Samkhya eine der heute populärsten Richtungen der indischen Philosophie und heißt wörtlich übersetzt: „Ende“ bzw. „Vollendung des ‚Veda‘“ d.h. der als Offenbarung verstandenen frühindischen Textüberlieferung („Veda“ -> „Wissen“). Innerhalb des Vedanta gibt es mehrere Richtungen, von denen der Advaita-Vedanta heute die bedeutendste ist. Vedanta gehört zu den sechs klassischen orthodoxen philosophischen Systemen (Darshanas).

Inhaltsverzeichnis

1 Grundlagen
2 Formen des Vedanta
2.1 Advaita-Vedanta
2.2 Vishishtadvaita-Vedanta
2.3 Achintya Bhedabheda
2.4 Shuddhadvaita
2.5 Dvaita-Vedanta


Grundlagen

Das Studium der Veden und das Befolgen der Rituale wurden als Voraussetzung für das Studium des höheren Wissens, des Vedanta, angesehen. Nur wer so gereinigt war und den höheren Kasten angehörte, durfte den Vedanta studieren. Die vorgeschriebene vorbereitende Reinigung des Schülers durch vedische Rituale wird heute oft durch Elemente des Bhakti-Yoga ersetzt.Bereits in den Upanishaden kristallisieren sich die zentralen Begriffe Atman (innerstes Sein des Menschen) und Brahman (Weltseele) heraus. Sie werden in vielen Aussagen als Einheit identifiziert: „Diese Seele (Atman) ist Brahman“, „Das bist du“ (Tat Tvam Asi), „Ich bin Brahman“. Die Natur des Brahman ist satya („Wahrheit“), jnana („Erkenntnis“), ananta („Unendlichkeit“) oder ananda („Glückseligkeit“). Hier stellt sich die Frage nach der Beziehung der individuellen Seelen, jivatman, zum paramatman, d. h. Brahman, und nach der Beziehung der Welt der Vielfältigkeit zum einen letzten Sein. Wird in den Upanishaden auch immer wieder die Einheit betont, gibt es doch auch Ansätze, die der Welt eine eigene, von Brahman getrennte Wirklichkeit zusprechen. Bei der Lösung dieser Frage kam es zu den unterschiedlichen Vedanta-Systemen.

Formen des Vedanta

Der Artikel beschreibt fünf Formen des Vedanta: Advaita-Vedanta, Vishishtadvaita-Vedanta, Achintya Bhedabheda, Shuddhadvaita, Dvaita-Vedanta.

Advaita-Vedanta

Bei Advaita-Vedanta (Sanskrit, m., अद्वैत वेदान्त, advaita vedānta, advaita = „Nicht-Dualität“) handelt es sich um ein monistisches System, das die Welt auf ein einziges Prinzip zurückführt. Der bekannteste Gelehrte des Advaita-Vedanta war Shankara (788–820 n. Chr.), der ältere Upanishaden, wie z. B. die Katha-Upanishad, kommentierte und die Vedanta-Philosophie weiterentwickelte. Wichtige Texte des Vedanta sind die um das 1./2. Jh. n. Chr. textlich fixierten Brahmasutras (auch "Vedantasutras" genannt), die Shankara ebenso wie die Bhagavad Gita kommentierte. 'Vivekachudamani' (Das Kleinod Unterscheidung), der 'Atma Bodha', 'Upadesha Sahasri' sind weitere zentrale dem Shankara zugeschriebene Werke des Advaitavedanta, die die Philosophie der Nicht-Dualität und der Einheit der Seele mit Brahman erläutern.
Wesentliches Charakteristikum des Advaita-Vedanta ist die Wesensidentität von Atman, der individuellen Seele, und Brahman, der Weltseele, deshalb die Bezeichnung Advaita-Vedanta, 'Vedanta der Nichtzweiheit'. Hier besteht der Erkenntnisprozess des Menschen und der Weg zur Erlösung darin, diese Einheit zu erkennen. Dualität tritt demnach nur dort auf, wo avidya, Unwissenheit, herrscht. Die wahre Erkenntnis, die diese Unwissenheit überwindet, führt zur Advaita-Erfahrung und damit zur Befreiung, moksha. Shankaras wichtigster Beitrag besteht in der Entwicklung des Brahman-Begriffs ohne Form und Attribute (nirguna). Daher sind auch sat (reines „Sein“), cit (reines „Bewusstsein“) und ananda (reine „Glückseligkeit“) keine das Brahman qualifizierenden Attribute, sondern sie konstituieren sein Wesen.
Der wahre Atman gilt als durch Maya, Illusion, verschleiert und das Ziel ist es, die Identität von Atman und Brahman zu erkennen. Shankara selbst unterschied zwischen einem niederen Wissen und einem höheren Wissen. Als höheres Wissen galt das Erkennen des unveränderlichen Brahman, für den es kein Werden und keine Vielheit gibt. Als niederes Wissen galt das Entstehen der Welt aus dem Brahman und das Umherwandern der Geistmonaden. Das Studium wird oft mit dem Ausüben des Jnana-Yoga gleichgesetzt, dessen klassischer Dreischritt folgende Phasen beinhaltet: Studium der Schriften, begriffliche Analyse des Inhalts der Schriften und Meditiation über den Gegenstand der Schriften, die in der Erfahrung der Identität von individuellem Selbst (atman) und dem allen Erscheinungen zugrunde liegendem Prinzip (brahman) münden soll.
Die klassische Unterscheidung von niederem und höheren Wissen wird in der neuzeitlichen Version des Neo-Advaita außer Kraft gesetzt. Vertreter dieser modernen Form verweisen ganz auf das nichtduale Ziel des Advaita, und versuchen diese in Form von Satsangs durch unmittelbare Erkenntnis zu vermitteln.

Vishishtadvaita-Vedanta

Vishishtadvaita-Vedanta (Sanskrit, n., विशिष्ताद्वैत वेदान्त, viśiṣtādvaita vedānta, advaita („Nicht-Dualität“), vishishta („modifiziert“)) bedeutet soviel wie qualifizierter Nicht-Dualismus. Es besagt, Gott existiere als Einziges, jedoch bliebe die Pluralität der Welt als eine reale Erscheinungsform Gottes erhalten und sei nicht, wie bei Shankaras Advaita, eine Illusion.
Bedeutendster Vertreter ist Ramanuja (1017–1137 n. Chr.), der in allem das göttliche Brahman, für ihn in Vishnu-Narayana, sieht. Alle Eigenschaften der Schöpfung seien real und unter der Kontrolle Gottes. Dieser könne trotz der Existenz aller Eigenschaften eins sein, da diese nicht unabhängig von ihm existieren können. In Ramanujas System besitzt Gott (Narayana) zwei untrennbare Wesensarten, nämlich die Welt und die Seelen. Diese verhalten sich danach zu ihm wie Körper und Seele. Materie und Seelen stellen den Körper Gottes dar. Gott sei ihr Bewohner, die Kontrollinstanz, Materie und Seelen untergeordnete Elemente, Eigenschaften.Ramanuja vertritt das Konzept eines persönlichen höchsten Wesens, Narayana und die göttliche Liebe ist für ihn der verbindende Faktor zwischen dem höchsten Wesen und den individuellen Seelen. Der Vishishtadvaita bildet neben einigen verwandten Theorien eine wichtige theoretische Grundlage des Vishnuismus, insbesondere des Bhakti-Yoga, des Weges der Hingabe an Gott.
Der Vishishtadvaita konnte sich als erste gegen Shankaras Advaita-Vedanta (Monismus) behaupten.

Achintya Bhedabheda

oder auch Dvaitadvaita, bezeichnet eine Schule, welche die gleichzeitige Einheit und Verschiedenheit der Wahrheit lehrt. Begründer dieser Philosophie ist Chaitanya (1486-1533).
Diese Lehre besagt, dass sowohl die Gesamtheit aller Seelen als auch die Gesamtheit der Materie (Prakriti) Umwandlungen der Energie der höchsten Wahrheit sind. Als Gottes Energie sind sie einerseits mit ihm identisch und gleichzeitig auf ewig von ihm verschieden, „bheda-abheda“. Dies sei „achintya“ unvorstellbar. Die Wahrheit, die „nichtduale Einheit in Vielfalt“, wird im Bhagavatapurana 1.2.11 veranschaulicht:„Die Kenner der Wahrheit beschreiben die ewige Wahrheit, deren Wesen nichtduale reine Erkenntnis ist, als Brahman, Paramatma und Bhagavan, so wird es vernommen.“
Anhänger dieser Philosophie sehen in dem Vers die konzentrierte Lehre: Die absolute Wahrheit ist nichtdual und doch wird sie gleichzeitig bezeichnet mit
Brahman, die alldurchdringende und eigenschaftslose spirituelle Energie.
Paramatma, die Überseele, welche jeden Atman begleitet und in transzendenter Gestalt in allen Dingen gegenwärtig ist.
Bhagavan, der höchste Herr selbst, der jenseits der manifestierten Prakriti in seinem ewigen Reich Vaikuntha weilt.“

Shuddhadvaita


Shuddhadvaita, die Philosophie der reinen Nichtdualität, wurde von Vallabha (1479 – 1531), einem Zeitgenossen Chaitanyas begründet. Er lehnt die Maya-Lehre Shankaras ab, wonach Universum und Individualität bloße Illusion seien. Für ihn ist die ganze Welt Gottes Energie und trotz des ständigen Wandels real. Wie andere vishnuitischen Philosophen unterscheidet auch er zwischen Gott, Materie und den individuellen Seelen.
Vallabha erhob das Bhagavatapurana zur Position einer höchst autoritativen Schrift. Sein systematisches Werk Tattvadipa, das sich mit den Lehren des Bhagavatapurana beschäftigt, veranschaulicht seine Philosophie des Shuddhadvaita: Krishna erschafft die Jivas (Seelen), kreiert das Universum und genießt alles. Der Zweck der Existenz Gottes und der Seelen liege in nichts anderem, als sich gegenseitig zu erfreuen und zu genießen. Radha sei die Gestalt gewordene Liebe Krishnas.[1]Die Schule Vallabhas ist bekannt für ihre Verehrung Radhas und Krishnas als das höchste göttliche Paar.
Die Vallabha-Schule ist heute eine starke religiöse Bewegung, die vor allem in Nordindien Millionen von Anhängern haben soll.

Dvaita-Vedanta

Dvaita-Vedanta (Sanskrit, m., द्वैत वेदान्त, dvaita vedānta, dvaita = „Zweiheit“, „Dualität“) wurde vom Philosophen Madhva (1199 –1278) begründet. Der Begriff Dvaita-Vedānta bedeutet: „Vedanta der Zweiheit“. Danach ist der Atman vom Brahman ewig getrennt und nicht so wie im Advaita-Vedanta identisch.
Statt dessen seien alle Menschen Individuen (jivas), von denen jeder einen eigenen Geist habe. Auch untergrabe die Gleichsetzung von Gottseele einerseits und den Seelen der Individuen andererseits die absolute Autorität Gottes, der allein das Höchste Brahman sei, und von dessen Gnade allein es abhänge. Gottesdienst (puja) und die glaubensvolle Unterwerfung unter ein höheres Wesen (Bhakti-Yoga) seien sinnlos, wenn dieses höhere Wesen identisch mit der (eigenen) Seele ist.
Das Dvaita-Vedanta wurde fortentwickelt von Jayatirtha (1356–1388) und Vyasaraya (1478–1589). Die Anhänger der von Madhva gelehrten Religion sind heute am stärksten vertreten im indischen Bundesstaat Karnataka.
Satsang
Satsang (Sanskrit, m., सत्सङ्ग, satsaṅga, Hindi, m., सत्संग , satsaṅg, von sat = wahr, sanga = Umgang) bezeichnet in der indischen Philosophie und in den daraus abgeleiteten spirituellen Lehren ein Zusammensein von Menschen, die durch gemeinsames Hören, Reden, Nachdenken und Versenkung in die Lehre nach der höchsten Einsicht streben. Speziell im Advaita Vedanta gilt es als notwendig, dass man die als Wahrheit bezeichnete Lehre hört und sie reflektiert.

Inhaltsverzeichnis
1 Definition
2 Satsang im Westen


Definition
Insbesondere bezeichnet „Satsang“ ein Zusammentreffen mit einem spirituellen Lehrer ("Guru", "Meister"), der als „erleuchtet“ oder „erwacht“ gilt. Zum Teil verbinden die heute im Westen zahlreich anzutreffenden Lehrer auch traditionelle östliche Lehren mit modernen psychologischen Methoden. Während des Satsangs stellen die Schüler in der Regel Fragen, auf die der Lehrer antwortet. Satsangs können außerdem auch Elemente wie kurze Vorträge des Meisters, gemeinsame Meditation, Rezitation oder Ähnliches enthalten. Der Sinn des Satsangs besteht nicht in erster Linie in der Vermittlung einer „Lehre“ (insofern ist der Begriff „Lehrer“ missverständlich), sondern darin, dass die Schüler durch das unmittelbare Erleben der Präsenz des Lehrers in einer Art Resonanz-Phänomen selbst zur Erfahrung ihrer ursprünglichen Natur gelangen sollen. Die Gemeinschaft mit anderen Suchenden soll dabei zusätzlich unterstützend wirken. Die Teilnehmer an Satsangs werden auch Satsangi genannt.

Satsang im Westen
Die weltweit schnell wachsende "Satsang-Bewegung" geht in erster Linie auf den 1997 verstorbenen Inder H. W. L. Poonja zurück, einen Schüler von Ramana Maharshi.

Tantrayana

Vajrayana

Vajrayana (Sanskrit, n., वज्रयान, vajrayāna, „Diamantfahrzeug“; tibetisch, Dorje Tegpa; auch Mantrayana („Mantrafahrzeug“), Tantrayāna („Tantrafahrzeug“) oder Esoterischer Buddhismus) ist eine in Indien aus der Verbindung mit dem hinduistischen Tantra entstandene Strömung des Mahayana-Buddhismus, die historisch insbesondere für den tibetischen Buddhismus Bedeutung hatte, in geringerem Maße aber auch im chinesischen und japanischen Buddhismus Verbreitung fand.
In diesem Sinne steht Vajrayana, oft nur eine Bezeichnung für den tibetischen Buddhismus oder den linkshändigen Tantrismus, pars pro toto für die Gesamtheit des esoterischen Buddhismus

Inhaltsverzeichnis

1 Indische Ursprünge
2 Philosophische Grundlagen
2.1 Der Leidenskreislauf des Samsara
2.2 Methoden
2.3 Tantrische Praktiken
2.4 Lama, Yidam und Khandro
2.4.1 Lama
2.4.2 Yidam
2.4.3 Khandro
2.5 Mönchs- und Laiengemeinschaften
3 Verbreitung
4 Schulen des tibetischen Vajrayana
5 Schulen in China und Japan


Indische Ursprünge

In seiner tibetischen Form wird das Vajrayana auch landläufig Lamaismus genannt, da in dieser Variante des Buddhismus der Lama (Lehrer) von zentraler Bedeutung ist. Diese Bezeichnung impliziert allerdings, dass die Stellung des Vajrayana-Meisters eine tibetische Entwicklung sei, obwohl der tibetische Vajrayana sich als direkte Fortführung des ursprünglichen, indischen Vajrayana versteht - einschließlich der Bedeutung des Lehrers.
Das Vajrayana wird – neben dem Hinayana und dem Mahayana – gewöhnlich als die dritte große Hauptrichtung des Buddhismus bezeichnet. Trotz spezifischer Eigenheiten ist das Vajrayana dem Mahayana zuzuordnen und kann von diesem nicht losgelöst betrachtet werden.

Philosophische Grundlagen
Das Vajrayana stützt sich mit der Lehre des Mittleren Weges (Madhyamaka) auf die philosophischen Grundlagen des Mahayana. Nach allgemeiner Ansicht im Tibetischen Buddhismus werden die verschiedenen buddhistischen yanas (wörtlich: Fahrzeuge) anhand der Ziele oder der Methoden unterschieden. Das heißt zwischen dem allgemeinen Mahayana und dem Vajrayana liegt der Unterschied nicht im Ziel, der Buddhaschaft, sondern in der Art und Weise, wie dieses erreicht wird. Deshalb wird das Vajrayana auch Pfad des Resultats genannt, während das Sutra-System des Mahayana als Pfad der Ansammlung bezeichnet wird und Theravada als Pfad der Entsagung.

Der Leidenskreislauf des Samsara
Anders als erleuchtete Wesen begehen fühlende Wesen einen grundlegenden Fehler bei der Wahrnehmung der Phänomene. Zwar ist die subtilste Schicht geistiger Prozesse aus der Sicht des Vajrayana uranfänglich erleuchtet, dies wird vom wahrnehmenden Geist aber fälschlicherweise nicht erkannt. Daraufhin nehmen die fühlenden Wesen die von Natur aus nichtdual erscheinenden Phänomene als von sich selbst und voneinander getrennt wahr. Den Phänomenen wird irrig eine wirkliche Existenz zugeschrieben, obwohl sie von ihrem eigentlichen Wesen leer von innewohnendem Sein sind (Shunyata). Aufgrund dieser Zuschreibung entsteht die Vorstellung eines unabhängig von anderen Phänomenen existierenden Selbst. Mit der Vorstellung eines Selbst treten die drei sogenannten "Wurzel-Geistesgifte" Grundlegende Unwissenheit, Anhaftung und Abneigung auf. Infolge der Verbindung dieser Wurzel-Geistesgifte untereinander werden verschiedene Aspekte ursprünglicher Weisheit unrein als (gewöhnliche) "Geistesgifte" Unwissenheit/Verwirrung, Hass, Gier, Neid/Eifersucht und Stolz identifiziert. Leidverursachende Handlungen, die mit Körper, Rede und Geist aufgrund dieser Geistesgifte ausgeführt werden, erschaffen Karma (Das Gesetz von Ursache und Wirkung). Karma kann man als geistige Eindrücke aufgrund einer geistesgiftbedingten Handlung als Ursache bezeichnen, die als Resultat eine leidvolle Erfahrung in der Zukunft bewirken. Man kann auch sagen, dass die karmischen Spuren im Geist eines unerleuchteten fühlenden Wesens das Aufkommen der individuellen Lebenswirklichkeit verursachen. Infolge treten die Wesen in die verschiedenen Lebensbereiche der Götter, Halbgötter, Menschen, Tiere, hungrigen Geister und Höllenwesen ein. Aufgrund von Karma sind die fühlenden Wesen daher an den Leidenskreislauf (Samsara) aus wiederholter Geburt, Alter, Krankheit und Tod gebunden.

Methoden
Buddhistische Praxis hat insbesondere im Vajrayana zum Ziel, diesen Prozess des Aufkommens der Existenz und der Bindung der fühlenden Wesen an den Leidenskreislauf aufzuheben. Dazu gibt es im Vajrayana bezüglich der höchsten Lehren zwei verschiedene methodische Ansätze:
Mahamudra (Das Großes Siegel/Symbol) und
Dzogchen (Die große Vollkommenheit)

Tantrische Praktiken
Zu den besonderen tantrischen Mitteln gehören neben der Meditation und Visualisierung auch das Rezitieren von Mantras und weitere Übungen, zu denen Rituale, Einweihungen und Guru Yoga (Einswerden mit dem Geist des erleuchteten Lehrers) gehören. Der tibetische Buddhismus legt dabei besonderen Wert auf direkte Übertragung und Unterweisung von Lehrer zu Schüler. Wichtig ist bei diesen Praktiken eine solide Kenntnis der buddhistischen Lehre als Ausgangsbasis. Ohne ein echtes Verständnis von Mitgefühl und der rechten Ansicht ist es nicht möglich, diese Methoden anzuwenden. Daher sind die ethischen Regeln des edlen achtfachen Pfades, wie sie von Buddha gelehrt wurden Grundlage des gesamten buddhistischen Weges, auch des Vajrayana. Darüber hinaus ist die Motivation des Mahayana, zum Nutzen aller fühlenden Wesen Erleuchtung zu erlangen, beständig zu kultivieren.

Lama, Yidam und Khandro
Im Vajrayana sind Lama (Sanskrit: Guru), Yidam (Sanskrit: Deva; Meditationsgottheit) und Khandro (Sanskrit: Dakini) wichtig. Sie sind im Vajrayana auch Objekte der Zuflucht.

Lama
Aufgrund der zentralen Bedeutung, die den Lehrmeistern (Lamas) im System des Vajrayana zukommt, wird dieses auch fälschlicherweise Lamaismus genannt. Auf dem Pfad des Vajrayana ist ein richtig verstandenes und angemessenes Vertrauen in den spirituellen Lehrer wichtig, daher muss man bei der Wahl des Lehrers sehr sorgsam vorgehen und sollte diese wichtige Verbindung nicht vorschnell eingehen. Ein guter spiritueller Lehrer handelt immer aufgrund einer altruistischen Motivation und niemals aufgrund egoistischer Motive. Im Tantra Netz der Illusion heißt es: "Einer, der stabil, ruhig, intelligent, geduldig, ehrlich (offen), ohne List oder Falschheit ist und die Praxis der geheimen Mantras und Tantras kennt, die Aktivität des Mandalazeichnens ausübt, tüchtig in den Zehn Grundsätzen ist, allen Lebewesen Furchtlosigkeit verleiht und immer Freude am großen Fahrzeug hat: Solch einer wird als Meister bezeichnet."
Die Selbständigkeit des Schülers steht im Vajrayana im Vordergrund, daher sollten alle Tendenzen zur Abhängigkeit des Schülers vermieden werden. Natürlich muss auch der Schüler qualifiziert sein. Ihn müssen Unparteilichkeit, Intelligenz (falsche von richtigen Lehren unterscheiden zu können) und eine stabile Geisteshaltung des Bodhicitta auszeichnen. Der Lama, dem er sich anvertraut, sollte ihn wirklich inspirieren und ihn auf der tiefsten Ebene des Herzens und nicht nur oberflächlich berühren.
Für den Titel Lama gibt es keine offiziellen Zuweisungen. Im Unterschied zu einem Geshe muss Lama nicht zwangsläufig einen Gelehrten des Buddhismus bezeichnen.

Yidam
Yidam - Meditations-Gottheiten (vgl. Visualisierung) dürfen im Vajrayâna nicht dem europäischen Kontext gemäß als Schöpfergott/-götter oder vom Praktizierenden unabhängige Wesenheiten missverstanden werden. Sie müssen auch von den Devas (weltlichen Göttern) der indischen Tradition unterschieden werden. Es handelt sich hierbei vielmehr um die Sambhogakaya-Form verwirklichter Wesen. Mit Hilfe von Meditations- und Visualisationspraktiken in Verbindung mit diesen Gottheiten ruft der Praktizierende die ihm innewohnende erleuchtete Natur wach.

Khandro
Meist wird in Übersetzungen an Stelle des tibetischen Wortes Khandro das sanskritische Wort Dakini verwendet. Wörtlich bedeutet Khandroma (mkha' 'gro ma) Himmelswandlerin. Schon in den Jatakas, den Legenden über die früheren Geburten Shakyamunis, gibt es Hinweise auf eine Klasse von Wesen, die durch die Luft gehen. Dakinis werden häufig als feenhafte Wesen beschrieben, die (dank ihrer Verwirklichung) übernatürliche Fähigkeiten und Kräfte besitzen. Indem sie dem Praktizierenden spirituelle Weisheit übermitteln, unterstützen sie ihn auf dem Weg zur Erleuchtung.

Mönchs- und Laiengemeinschaften

In den Schulen des Vajrayana hat es neben den Mönchsgemeinschaften auch immer Laiengemeinschaften praktizierender Yogis gegeben. Daher gibt es neben vielen gelehrten Meistern, die aus den Mönchsschulen hervorgegangen sind auch eine große Zahl bedeutender Meister und Siddhas, die den Pfad des Yogis verwirklicht haben. Ursprünglich wurden viele der Vajrayâna-Praktiken in Indien und angrenzenden Ländern von Yogis weitergegeben. Es ist im Vajrayana nicht wesentlich, ob jemand als Mönch (oder Nonne) ordiniert ist, sondern ob er/sie in der Lage ist, die vom eigenen Geist fälschlich aufrechterhaltene Bindung an Samsara aufzuheben. Im Vajrayana ist und war es weitgehend anerkannt, dass Frauen ebenso wie Männer Erleuchtung erlangen können. Die vier großen Schulen des tibetischen Buddhismus stehen heutzutage Frauen in gleichem Umfang offen wie Männern. Große verwirklichte Meisterinnen, deren Leben für viele Vajrayana-Praktizierende beispielhaft sind, waren unter anderem Prinzessin Mandarava und Prinzessin Yeshe Tsogyal, beide Gefährtinnen von Guru Rinpoche, dem Begründer der Nyingma-Schule. Weiterhin Niguma, eine Schülerin Naropas, die in der Shangpa-Kagyü-Schule von großer Bedeutung ist und Machig Labdrön, die durch die Einführung der Chöd-Lehren in Tibet berühmt wurde.

Verbreitung
Die Lehre hat sich ursprünglich im tibeto-mongolischen Raum in die Mongolei bis hin nach Burjatien und Tuwinien verbreitet. Aus Indien wurde sie weitestgehend vertrieben, ist jedoch in den hinduistischen Advaita-Vedanta-Lehren mit einigen Unterschieden erhalten geblieben, doch sind tantrische Lehren auch in China und Japan eingeführt worden. In Bhutan ist der Vajrayana-Buddhismus Staatsreligion. Ein traditionell lamaistisch geprägtes Volk - wenn auch mit deutlichen Unterschieden - lebt in Europa: die Kalmücken. Seit den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts verbreiten sich Vajrayana-Gemeinschaften zunehmend im Westen. Insbesondere die tibetischen Schulen sind inzwischen in Europa und den USA etabliert. Nicht wenige davon in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Schulen des tibetischen Vajrayana

Der Buddhismus in Tibet gliedert sich in verschiedene Schulen und Übertragungslinien, von denen die Nyingma-, die Kagyü-, die Sakya- und die Gelug-Schule die wichtigsten sind. Auch wenn äußerlich betrachtet eine Aufteilung der tibetischen Form des Buddhismus in verschiedene Schulen entstanden ist und auf die Besonderheit der jeweiligen Schulen von ihren Anhängern immer wieder großen Wert gelegt wird, hat doch ein intensiver Austausch von Lehren und Praktiken zwischen diesen Schulen stattgefunden. Man kann daher wohl sagen, dass trotz aller Unterschiedlichkeit im Entstehen, die Gemeinsamkeiten untereinander überwiegen.
Nyingma

Die Nyingma-Tradition ist die älteste der vier großen Schulen des tibetischen Buddhismus. Sie geht auf den tantrischen Meister Padmasambhava zurück. Diese Tradition ist aus der ersten Übersetzungsphase buddhistischer Schriften, aus dem Sanskrit ins Tibetische, im 8. Jahrhundert entstanden, die die Grundlage für die Verbreitung der Lehren Buddhas in Tibet legte. In ihr sind die Lehren des Dzogchen von großer Bedeutung.

Kadampa

Nach der Verfolgung des Buddhismus in Tibet unter König Langdarma entstand im 11.Jahrhundert die Tradition der Alten Kadampa-Meister. Diese (frühere) Kadampa-Tradition ist eine Vorläufertradition der drei neueren Hauptschulen des tibetischen Buddhismus, die aus der zweiten Übersetzungsphase tantrischer Lehren, von Indien nach Tibet, hervorgegangen sind. Sie selbst ist als eigenständige Schule nicht erhalten geblieben.
Kagyü

Die Kagyü-Schulen des tibetischen Buddhismus gehen auf Marpa den Übersetzer (1012 - 1097) zurück, der die Mahamudra-Übertragungslinie von Tilopa und Naropa weiterführte. Kagyü bedeutet "mündliche Übertragung" und es wird besonderer Wert auf Meditation gelegt.
Sakya

Sakya ist der Name eines von Khön Könchog Gyalpo (1034-1102) begründeten Klosters Hauptsitz nahe Shigatse in Südtibet. Die tantrischen Lehren der Sakyapa wurden von Bari Lotsawa im elften Jahrhundert aus dem Sanskrit übersetzt. Die Sakya-Tradition wurde daraufhin von den "fünf ehrwürdigen höchsten Meistern" gegründet. Sie führen die Mahamudra-Tradition des indischen Meisters Virupa fort.
Gelug
Die Gelug werden auch als die "Schule der Tugendhaften" bezeichnet und wurde von Tsongkhapa (1357-1419) gegründet. Er vertrat die Ideale der früheren Kadampa-Schule und strich die Bedeutung der Vinayaregeln heraus. Deshalb legen die Gelug auf Mönchsdisziplin und Zölibat großen Wert. Der Kern der Übertragungen der Gelug liegt in den Lehren der alten Kadampa.
Rime

Im 19. Jahrhundert entstand die so genannte "Rime-Bewegung", die gruppenübergreifende Lehren aus allen Gegenden Tibets und von Meistern aller Traditionen sammelte. Ziel war es, die in Tibet verbreitete "Konkurrenz" (Sektierertum) der Schulen zu überwinden.

Bön
Im Kontext des tibetischen Buddhismus findet sich mit der Tradition des Bön eine weitere Tradition, die dem Vajrayâna nahesteht. Sie haben in ihren Praktiken und Lehren Gemeinsamkeiten mit der Nyingma-Schule. Bön war die ursprüngliche vorbuddhistische Religion in Tibet.

Schulen in China und Japan
Vajrayana wurde im späten 8. Jahrhundert von Indien aus auch nach China übertragen. Es gibt aber kulturell bedingte Unterschiede zwischen den Vajrayana-Formen in China und Japan einerseits und Tibet andererseits.
In China etablierte sich Vajrayana-Buddhismus als Mizong. Seine heutige, moderne Gestalt entwickelte sich vor allem unter der Herrschaft der durch den mongolischen Buddhismus geprägten Yuan-Dynastie.
Im 9. Jahrhundert gelangte der Vajrayana-Buddhismus von China nach Japan und wurde dort als Mikkyō insbesondere von den Schulen Tendai-shū und Shingon-shū bekanntgemacht.

Shaktismus

Der Shaktismus entstand aus jenen hinduistischen Lehren, welche Gott als Frau darstellen. Diese sogenannte Shakti, die als weiblich gedachte Urkraft des Universums, hat demnach ausschlaggebende Bedeutung im Heilsgeschehen und im Weltprozess, in dem die männliche Gottheit nur durch ihre Energie, die Shakti handelt. Dabei ist die Stellung der Göttinnen innerhalb der einzelnen Kulte unterschiedlich. Sie kann das "Höchste Eine" oder den philosophischen Zentralbegriff darstellen, das Attribut eines männlichen Allgottes sein oder eine autonome, gütige oder grausame Muttergöttin. In jedem hinduistischen Kult gibt es weibliche Gottheiten. Die Abgrenzung zu diesen Kulten liegt darin, daß im Shaktismus eine oder mehrere Göttinnen, die als Energien aufgefasst werden, das Heilsgeschehen und die Prozesse der Welt unmittelbar bedingen und in einem Kult verehrt werden.

Der Shaktismus ist eng verwoben mit dem indischen Tantrismus und ist neben Shivaismus und Vishnuismus eine der drei Hauptrichtungen des Hinduismus. Er hat sich zwischen dem 4. und dem 7. Jahrhundert entwickelt. Der Shaktismus entstand historisch gesehen in seiner ausgeprägten Form nach dem Tantrismus und hatte seine Hochzeit im 8. bis 10. Jahrhundert, in dem auch viele seiner Texte entstanden. Seine Ursprünge lassen sich jedoch bereits in den Veden finden und bei der drawidischen Urbevölkerung Indiens. Die wichtigsten Schriften der Anhänger Shaktis sind das Devi Bhagavata sowie das Devi Mahatmya, ein Teil des Markanadeya Purana

Inhaltsverzeichnis

1 Formen des Shaktismus
1.1 Yantras

Formen des Shaktismus [Bearbeiten]Formen des Shaktismus sind zum Beispiel die Verehrung der Göttin Durga, die mit dem Absoluten, dem Brahman, eins ist und als Herrin der Welt und der anderen Götter betrachtet wird. Auch Shiva ist von ihr abhängig, er existiert nach Ansicht der Shaktianhänger durch sie und sie ist als Mahayogini Schöpferin, Zerstörerin und Erhalterin der Welt, die in Ewigkeit existiert. Ihre Attribute sind der Dreizack Shivas, der Diskus Vishnus, der Donnerkeil Indras, die Schlinge Varunas und andere Symbole, die ihr nach den Mythen die Götter gaben. Ihr Begleittier ist der Löwe oder der Tiger. Durga in ihren vielen Gestalten ist in Indien die beliebteste Göttin und wird als waffentragende Kämpferin, aber auch als höchste Mutter verehrt.

In Form der Durga ist die Shakti ungebunden, ohne Gatten. In anderen Kulten tritt sie auch als Lalita auf, eine rotfarbige Göttin, die auf Shivas Schoß sitzt und deren Symbole der Zuckerrohrbogen (u. a. ein Symbol des menschlichen Geistes), Blumenpfeile (symolisiert u.a die Welt der Sinne), das Netz (u. a. Symbol der Liebe und des Verlangens) und die Keule (u. a. Symbol von Zorn und Abneigung) sind.

Die Verehrer der großen Mutter, die Shaktas, sind zumeist auch dem Shivaismus verbunden, während im Vishnuismus die Göttin zumeist keine herausragende Bedeutung hat.

Eine besondere Rolle spielt im Shaktismus Mahadevi, da sie als Allwesen und Göttin des Absoluten gilt, das in unterschiedlichen Formen (z.B. als Lakshmi, Saraswati oder Parvati) erscheint und den männlichen Göttern als schöpferischer Aspekt des Brahman übergeordnet ist.

In einigen eher philosophischen Richtungen des Shaktismus gilt die Shakti als kinetischer Aspekt des Brahman, des einzig wahrhaft Seienden, die alles aus sich hervorgehen lässt, in sich trägt, wieder zurücknimmt und die Maya, die manifestierte Welt und die darin enthaltene Polaritäten hervorbringt und selbst ist.

In anderen Formen des Shaktismus hat die Shakti nicht die gleiche überragende Stellung, sondern wird als die immanente Schöpfungsmacht des männlichen Shiva gedacht und gilt als Erscheinungsform der letzten Realität. Shiva symbolisiert hier das Absolute in seinem ruhenden Aspekt, während die weiblich gedachte Shakti seine Energie ist, die aus ihm hervorgeht und die das Universum schafft, erhält und vernichtet. Die Shakti ist die Energie des erlösenden Wissens, des Willens und des Handelns. Der männliche Gott gilt hier als passives, die Göttin als das aktive Prinzip (Prakriti). Zusammen bilden sie eine Einheit.

Auch die Ikonographie spiegelt die unterschiedliche Bedeutung der Shakti: Manchmal steht sie triumphierend auf dem unbeweglichen, passiven Leib des Shiva, oder sie bilden beide einen zweigeschlechtlichen Ardhanarishvara (halb Mann, halb Frau), dann wieder sitzt sie als geliebte Gattin (Uma-Maheshvara) auf Shivas Schoß.


In einigen Richtungen des Shaktimus ist die Shakti Kali, die wie die Natur grausam und unberechenbar sein kann und auch blutige Opfer fordert. Im Kali-Kult werden die Gegensätze von Geburt und Tod, Entstehen und Vergehen, Schönheit und Schrecken des Lebens als Einheit aufgefasst. Darum verehren Gläubige auch die dunklen Seiten der Kali, huldigen ihr nicht nur auf dem Hausaltar oder im Tempel sondern auch auf Leichenverbrennungsplätzen. Früher brachte man sogar Menschenopfer dar. Allerdings gilt Kali auch als Erlöserin und liebende Beschützerin. Sie ist Kalima, d.h. Mutter Kali, die dem Menschen in seinem Kampf gegen die Verstrickungen der Sinneswelt, die Gebundenheit an die Welt und den Tod helfen kann.
In der Verehrung der Shakti zelebrieren Anhänger tantrischer Richtungen auch nicht selten Rituale wie das Pancatattva. Dazu gehören der Genuss von Rauschtrank (Mada), Fisch (Matsya), Fleisch (Mamsa), Getreide (Mudra) und sexuelle Vereinigung (Maithuna). Es wird angenommen, dass diese fünf Dinge zur Shakti gehören und dass sie durch Ritualisierung auf ein höheres Niveau gehoben werden können. Die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse soll auf diese Art und Weise eine Umwandlung in göttliche Prozesse erfahren können. Maithuna, die rituelle Sexualität, wird jedoch nur von sehr wenigen Shaktas tatsächlich ausgeführt, die meisten lehnen sie ab oder führen sie nur symbolisch aus. Jedoch war früher die sakrale Prostitution häufig eine Begleiterscheinung des tantrischen Shaktismus und der Geschlechtsakt wurde als Unio mystica mit der großen Mutter, der Göttin des Lebens, der Liebe und der Fruchtbarkeit erfahren.

Yantras


Zum Glaubensleben von Anhängern der Göttin gehören auch Yantras, geometrische Diagramme aus Punkt, Linien, Kreisen und Dreiecken. Man zeichnet sie z.B.auf den Boden, auf Papier oder ritzt sie in Metallplättchen. Diese Zeichen stellen den formlosen Aspekt der Göttin dar. In der Anbetung können sie anstelle einer Statue oder eines Bildes im Zentrum stehen. Durch das Rezitieren von Mantren manifestiert sich nach Ansicht ihrer Anhänger die Göttin selbst in dieser Zeichnung und ist durch sie anwesend.

Der Vishnuismus

Vishnuismus ist eine der drei Hauptrichtungen des Hinduismus (neben Shivaismus und Shaktismus) die Vishnu als höchstes Allwesen annimmt. Ihm sind hier alle anderen Götter untergeordnet und gehen aus ihm hervor.
Der Vishnuismus enthält mehrere religiöse Strömungen unterschiedlichen Ursprungs. Die drei Hauptströmungen beziehen sich auf Vishnu, auf Vasudeva Krishna und auf Rama, den heldenhaften Prinzen im Epos Ramayana. Dem Selbstverständnis nach sind einige vishnuitische Strömungen Monotheisten, da sie Vishnu, den „Einen ohne einen Zweiten“, verehren, beziehungsweise seine Inkarnationen, die Avataras. Andere Gottheiten wie etwa Shiva und Brahma werden als Vishnu untergeordnet und als seine Diener verstanden. Außer Shiva gelten diese Devas als Halbgötter oder als gewöhnliche Seelen. Nach vishnuitischen Lehren kann Vishnu sich in unzählige spirituelle Gestalten vervielfältigen, die alle mit ihm identisch sind. Dies gilt als Ausdruck seiner unbegrenzten Macht, und nicht die Manifestation unterschiedlicher in Konkurrenz stehender Gottheiten. Um diese Haltung vom traditionellen Monotheismus westlicher Prägung abzugrenzen, bezeichnete sie der Indologe Friedrich Max Müller als Henotheismus. Die heutige religionswissenschaftliche Literatur dagegen betrachtet Vishnuismus häufig als Monotheismus.
Eng mit Vishnuismus verknüpft ist die Avatara-Lehre: Danach kehrt Vishnu in zahllosen Inkarnationen auf die Welt zurück, wenn der Dharma, Recht und Ordnung, schwinden. Am bekanntesten sind die "Zehn Avataras" wovon der letzte, Kalki, erst im Kali-Yuga, dem Ende des jetzigen Zeitalters, erscheinen soll. Die anderen "Herabgestiegenen" sind der Fisch Matsya, Kurma, die Schildkröte, Varaha, der Eber, der Löwenmensch Narasimha, Vamana, der Zwerg, Parashurama, Rama, Krishna, Buddha, den manche Traditionen durch Balarama, den älteren Bruder von Krishna, ersetzen. Die Vorstellung einer Vielheit an Inkarnationen wird in der Bhagavad Gita angedeutet und im Bhagavatapurana ausführlich dargestellt.

Inhaltsverzeichnis

1 Geschichte
2 Traditionelle Schulen
3 Reformierte Gruppen
4 Heilige
5 Die wichtigsten Texte des Vishnuismus

Geschichte

Die Verehrung Vasudeva Krishnas war wahrscheinlich schon Ende des 2. Jh. v. Chr. verbreitet, was die Garuda-Säule von Heliodorus belegt. Vishnu selbst wird bereits im Rigveda erwähnt (RV 1.154 - 1.156) [1] und man nimmt an, dass sich im 9.- 6. Jh. v. Chr. um ihn eine monotheistische Theologie entwickelte. Rama und Krishna wurden als Inkarnationen Vishnus aufgefasst. Den Begriff Vaishnava (Vishnuiten) verwendete man ungefähr ab dem 4./5. Jh. für diese Bewegungen, die Ursprünge liegen aber sehr viel weiter zurück.Mit dem Vishnuismus entwickelte sich eine dem Kshatriya-Ethos verpflichtete, königliche, herrschaftsorientiert Vishnu-Mythologie, die vor allem in Gestalt der Inkarnation Rama, im großen Epos der König von Ayodhya, sichtbar wird.
Neu am Vishnuismus war zu jener Zeit die Konzeption dieses Gottes als höchster und einzig wahrer wirklicher Gott, der die Welt und alle Wesen einschließlich der anderen Götter in sich trägt und hervorbringt. Neu war auch der Weg zur Erlösung: einerseits pflichtgemäßes und vor allem selbstloses Handeln in der Gesellschaft, Karma-Yoga, und andererseits Bhakti, die bedingungslose, liebende Hingabe an Vishnu. Bhakti, vor allem an die Inkarnationen Krishna oder Rama, wird zu einem wichtigen Teil der religiösen Praxis. Bhakti kennzeichnet die neue Beziehung zwischen Mensch und Gottheit, welche das vedische Opfer ablöst und zugleich die intellektuelle Suche nach erlösendem Wissen, Jnana-Yoga, in eine starke emotionale Beziehung einbindet. Vor allem in der Bhagavad Gita wird Bhakti-Yoga als einer der Wege zur Erlösung geschildert. Neu war auch eine weitgehende Ablehnung der traditionellen Kastenordnung. Schon bei den im 8. Jh. wirkenden Alvars, einflussreiche vishnuitische Poeten in Südindien, hatte sie keine Bedeutung; unter den zehn anerkannten Heiligen gab es einige Shudras, Angehörige der untersten Kaste. Auch spätere Vertreter des Vishnuismus wie Ramananda (13. Jh.), Kabir (15. Jh.), Chaitanya (15./16. Jh.) machten bei ihren Anhängern keinen Unterschied nach Kastenzugehörigkeit, sie lehnten die Ungleichheit dezidiert ab. Wenn man auch nicht das System als solches angriff, so sah man doch alle Menschen gleich im Angesicht Gottes.

Traditionelle Schulen

Vishnuismus besteht aus mehreren Richtungen, die voneinander abweichende Philosophien entwickelt haben. Diese werden durch verschiedene traditionelle Schulen, den Guru-Sampradayas mit zahlreichen Zweigen, die oft als eigenständige Sampradayas wahrgenommen werden, überliefert. Die meisten der heutigen Lehren leiten sich von einem dieser Philosophen ab. In allen ist Bhakti, die liebende Hingabe zu Vishnu-Narayana, den Avataras Krishna und Rama ein zentraler Punkt ihrer Verehrung und Lehre.
Der bekannteste Vertreter der nach der Göttin Shri Lakshmi benannten Shri-Sampradaya ist der Philosoph Ramanuja (1017-1137). Er lehrte vishisht-advaita, "qualifizierten Nicht-Dualismus", wonach ... der all-eine Gott Narayana nicht ein all-umfassendes, von sich aus aller Unterschiede bares Sein ist, sondern von Natur aus schon die Einzelseelen und das Unbelebte als Qualitäten besitzt[2]. Ramanuja vertritt das Konzept eines persönlichen höchsten Wesen, Narayana. Der verbindende Faktor zwischen dem höchsten Wesen und den individuellen Seelen sei göttliche Liebe.
Ein heute eigenständig auftretender Zweig ist die Ramanandi-Sampradaya. Sie geht auf Ramananda (13. Jh.) zurück, der ein Schüler in der Linie Ramanujas war, aber später eigenständig wurde. Ramananda stellte Rama und Sita ins Zentrum der religiösen Verehrung. Ein großer Teil der vishnuitischen Sadhus sind heute Ramanandis. Die bekanntesten Anhänger waren Kabir (1440-1518), der eine eigene Schule begründete sowie der spätere Begründer des Sikhismus, Nanak . Die Ramanandi Sampradaya selbst hat zahlreiche Unterzweige.
Bekannteste Vertreter der nach dem Gott Brahma benannten Brahma-Sampradaya sind Madhva (wahrscheinlich 13.Jahrh.), auch Anandatirtha genannt, sowie der hauptsächlich in Bengalen wirkende Mystiker Chaitanya (1486–1533), dessen Linie, die Gaudiya Sampradaya eine Untergruppe der Brahma-Sampradaya ist. Madhva betonte besonders deutlich den Dualismus, dvaita, und unterscheidet streng zwischen Gott, der materieller Welt (Prakriti) und den Seelen. Nicht das Einswerden mit dem Göttlichen sei das Ziel, wie es Anhänger der von ihm vehement bekämpften Advaita-Lehre sehen, sondern die Seligkeit in Vaikuntha, Vishnus "Himmel", in der Gegenwart des Göttlichen.
Chaitanya dagegen betonte sowohl die Dualität als auch die gleichzeitige Einheit von Gott, Seelen und Welt. Seine Philosophie wird als acintya-bheda-abheda-tattva bezeichnet, die höchste Wahrheit, Gott, sei auf unvorstellbare Weise gleichzeitig eins (bheda) und doch verschieden (abheda) von allem. Die Lehre ist mit dem Zusatz 'acintya', also "unausdenkbar", versehen, da sie rational nicht fassbar sei.
Während Vishnuiten im Sinne Madhvas nur einen sehr kleinen Teil ausmachen, sind die vielen Äste und Zweige, die von Chaitanyas Linie ausgehen, heutzutage kaum überschaubar. Herausragend ist Bhaktisisiddhanta Saraswati Thakuras Gaudiya-Math, aus der die im Westen bekannte Hare Krishna Bewegung als ein Zweig hervorging.
In der nach dem Gott Shiva (Rudra) benannten Rudra-Sampradaya ist der bekannteste Vertreter Vallabha (1479 – 1531). Er vertritt suddha advaita, "reinen Nicht-Dualismus". Danach ist Krishna identisch mit der höchsten Weltenseele, dem Brahman, und schließt die Verschiedenheit der Welt in sich selber ein. In seinen Kommentaren ist es Vallabha ein besonderes Anliegen, seine Anhänger auf den "Weg der Gnade", pushiti marga, zu führen.
Vallabhas Lehre soll von einem älteren Meister abstammen, von Vishnu Swami (ca.13. Jh.), der advaita, reine Nichtdualität, gelehrt hatte.
Nach den vier Söhnen des Gottes Brahma, den Kumaras, wurde die Kumara-Sampradaya , auch Sanakadi-Sampradaya benannt. Wichtigster Vertreter dieser heute weniger populären Schule ist Nimbarka (wahrscheinlich ca. 13. Jahrh.). Er etablierte die Philosophie der dvaita-advaita, der gleichzeitigen Zweiheit und Nichtzweiheit: Gott sei gleichzeitig eins und unterschieden von der Welt. Nach dieser Schule wird Moksha, die Befreiung, durch wahre Erkenntnis erlangt, die man ihrerseits durch wahre Gottesverehrung gewinnen kann. Für Nimbarka ist Krishna im Gegensatz zu den anderen vishnuitischen Lehren nicht ein Avatar sondern das eigentliche Wesen Gottes und er identifiziert wie Vallabha Krishna mit dem Brahman. Nimbarka war als besonderer Verehrer des göttlichen Paares Radha und Krishna bekannt.

Reformierte Gruppen

Außer den genannten Haupt-Sampradayas gibt es noch etwa zwölf größere reformierte Gruppen, deren Mönche, die Sadhus, teilweise außergewöhnliche Praktiken ausüben, wie etwa jene der Sakhi Sampradaya, die in ihrer Verehrung eine weibliche Identität annehmen.Anhänger des Mahanubhoa Pantha lehnen die typisch hinduistische Anbetung des Göttlichen im Bildnis völlig ab. Mönche der Harshachandi Pantha bleiben auch nach ihrer Initiation Strassenkehrer, aus deren Kaste sie überwiegend stammen.Auf den Poeten und Mystiker Kabir geht die Kabira Pantha zurück. Er, der als Moslem geboren war, den Islam aber schon früh aufgab, ließ in seine Philosophie auch Lehren islamischer Mystik, dem Sufismus, einfließen. Seine Lieder sind noch heute in ganz Indien Volksgut.Die im achtzehnten Jahrhundert gegründete Schule des spirituellen Lehrers Swaminarayan ist vor allem im indischen Bundesstaat Gujarat verbreitet. Angehörige dieser Linie unterhalten besonders durch emigrierte Hindus weltweit Tempel und Zentren, so etwa den größten hinduistische Tempel Europas in London [3].

Heilige

Außer den philosophischen Vertretern kennt der Vishnuismus noch eine weitere Reihe von bedeutenden Heiligen, deren Werke neben den vishnuitischen Schriften noch heute eine wichtige Basis der Vishnu-Verehrung sind. Dazu gehören in Süd-Indien vor allem die tamilischen Alvars, zwölf Dichter (7. bis 9. Jahrh.), deren inbrünstige Hymnen maßgeblich am Verschwinden des damals in Indien verbreiteten Buddhismus mitgewirkt haben sollen. Im westlichen Indien war es vor allem der schon zu seinen Lebzeiten populäre Poet Tukaram (17. Jahrh.), ein leidenschaftlicher Anhänger Krishnas, den er in Liedern und Gedichten verehrte. Er wurde von erbosten Brahmanen verklagt, da er als Angehöriger der untersten Kaste nicht die Weisheiten der Veden verbreiten dürfe. Für die hindisprachige Bevölkerung dagegen war Tulsidas (17. Jahrh.) besonders wichtig, der Verfasser des Hindu-Ramayana. Auch die Lieder der Mystikerin Mirabai (1498 bis wahrscheinl. 1546), die sich schon in ihrer Kindheit als Gattin Krishnas fühlte, singen Hindus noch heute zu Ehren des Gottes.





Die wichtigsten Texte des Vishnuismus

Ramayana, auch in der Hindi-Nachdichtung von Tulsidas, dem Ramacharitmanas
Mahabharata mit der Bhagavadgita
Bhagavatapurana und Vishnupurana
Lieder der Alvars (7. - 9.Jh.)
Agamas der Pancaratra-Schule
Chaitanya-Charitamrita und Chaitanya-Bhagavata (16. Jh.)
Heute ist der Vishnuismus vielleicht die nach der Zahl der Gläubigen größte unter den indischen Religionen, dicht gefolgt vom Shivaismus. Er beherrscht den indischen Mittelstand und ist in Nordindien vor allem durch die Brahma-Sampradaya und in Südindien hauptsächlich durch die Shri-Sampradaya vertreten. Viele berühmte Menschen waren Anhänger Vishnus, so etwa Mahatma Gandhi, der Zeit seines Lebens ein Rama-Mantra benutzte. Der erste bekannte westliche Vishnu-Verehrer war Heliodorus (2. Jh. v.Chr.), ein griechischer Botschafter am Hof von König Kasiputra Bhagabhadra, der seine Verehrung auf einer Säule dokumentierte.

Der Shivaismus

Zum Shivaismus oder Shaivismus zählen jene Strömungen des Hinduismus, in der Shiva die zentrale Rolle als höchste Gottheit und Allwesen zukommt, der alle anderen Götter überragt und diese so wie das gesamte Universum aus sich hervorgehen lässt. Der Shivaismus ist eine Form der Religion, bei der Gott als gleichzeitig immanent und transzendent gedacht wird. Der Shivaismus beinhaltet sowohl differenzierte kultische Handlungen als auch komplexe philosophisch – theologische Systeme (vgl. Samkhya), die hier nur vereinfacht dargestellt werden können. Es entwickelte sich eine shivaitische Literatur, die achtundzwanzig orthodoxe Agamas und ca. zweihundert zusätzliche Texte umfasst. Eine wesentliche Textquelle sind die Puranas. Der Shivaismus hat in Indien Millionen von Anhängern und Tausende von Tempeln und Klöstern. Er ist neben Shaktismus und Vishnuismus eine der drei Hauptrichtungen des Hinduismus. Besonders populär ist er heute in Südindien sowie in Kashmir.

Inhaltsverzeichnis

1 Shiva im Shivaismus
2 Die Kulte des Shivaismus
2.1 Kashmirischer Shivaismus
2.2 Shaiva Siddhanta

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Shiva im Shivaismus


In den shivaitischen Kulten ist Shiva das höchste Wesen, das alle anderen Götter an Macht überragt und sie zudem erschaffen hat. Die Wesen und die Welt sind dem Wandel unterworfen, nur Shiva allein ist unvergänglich, ewig und die Fülle des Absoluten. Er ist der Urgrund des Daseins. Er trägt verschiedene Namen, die von seiner Größe zeugen wie Mahadeva (der Große Gott), Ishvara (der Herr), Maheshvara (der Große Herr), Prameshvara (der Höchste Herr). Trotz seiner Funktion als absolute Existenz und Allgott weisen die Mythen ihn jedoch immer auch als furchtbaren Gott und großen Asketen aus, der sich entsetzlichen Kasteiungen hingibt und der Natur verbunden ist. Er ist der Geist (Purusha), das Wesen der gesamten manifestierten Welt (Prakriti) und die Antriebskraft dieser Welt. Ihm allein ist es vorbehalten, die Welt entstehen und vergehen zu lassen. Nach dem von ihm periodisch herbeigeführten Weltuntergang bleibt nichts bestehen außer Shiva selbst und zyklisch erschafft er neue Universen durch die Maya seines Yoga aus der der Lotos enststeht, aus welchem Brahma hervortritt. Das gesamte Universum wird als aus dem Tanz des Shiva Nataraja entstehend und in ihm vergehend gedacht. Sein Tanz erhält die Welt und erlöst die Seelen. Er führt seinen Tanz von Göttern umgeben im Himalaya auf, als zehnarmiges von Dämonen und Devi umgebenes Wesen auf Leichenstätten und in den goldenen Hallen des Chidambaram-Tempels, dem Mittelpunkt des Universums. Sein Tanz symbolisiert seine fünffachen Qualitäten der Evolution: das Erhalten, das Zusammenziehen, das Verhüllen (der Seelen im Samsara), das gnadenreiche Annehmen der Gläubigen und das Schenken von Frieden und Erlösung. Er enthält als Absolutes die Paradoxa von ungebändigter, wilder und grausamer Natur und höchster Weisheit und tiefstem Frieden. In vielen Darstellungen wird der Gott als halb weiblich, halb männlich als Ardhanarishvara verehrt, der eins ist mit seiner Shakti, seiner weiblichen Seite.

Die Kulte des Shivaismus

Während der Vishnuismus sein Hauptaugenmerk auf die liebende Verbundenheit von Mensch und Gott richtet (siehe Bhakti) , legen einige Richtungen des Shivaismus großen Wert auf die Möglichkeit des Menschen eins zu werden mit Gott. Einige Richtungen sehen die Erlösung in der Gewinnung eines Shiva-ähnlichen Zustandes und eines fortwährenden Kontaktes mit ihm. Die meisten shivaitischen Gruppierungen nehmen ein philosophisch-theologisches System als gültig an, das drei ewige Prinzipien kennt: Pati, der Herr (Shiva), Pashu, das Vieh (die individuelle Seele) und Pasha, die Fessel (die Materie und das Karma). Um in Kontakt mit Shiva zu kommen, muss sich die Seele von den Fesseln des Karma und der Materie befreien und dem Zustand des Shiva ähnlich werden, d.h., an seine Macht und Kenntnis heranreichen und der Möglichkeit allen Leidens entronnen sein. Es gibt zahlreiche unterschiedliche shivaitische Gruppierungen und viele von ihnen praktizieren Lehren des Yoga und des Tantra. Auch strenge antinomistische Askese ist gebräuchlich, z.B. unter den Kalamukhas und Kapalikas. Die Bewegung der asketischen Natha-Yogis, deren Ursprung ungeklärt ist, scheint Elemente des Buddhismus zu beinhalten. Das Ziel der asketischen Natha-Yogis ist es den Zustand des Sahaja-Samadhi zu erreichen, in dem der Yogi in vollständiger Ruhe mit dem Universum eins ist und jeglichem Irdischen entrückt zugleich Shiva, Shakti, Lehrer, Schüler, Meditation, Meditationsobjekt und Meditierender ist.

Kashmirischer Shivaismus

Im kashmirischen Shivaismus wird angenommen, die Lehre der Agamas sei eine Manifestation des Shiva, der höchsten Gottheit in Form transzendenter Worte, und das Universum sei die Essenz dieser Worte, die die Gedanken des Allgottes sind. Die höchste Realität wird hier als reines erkennendes Bewusstsein angenommen, das dem Universum als Selbst und inneres Wesen zugrunde liegt. Sie ist Shiva und Atman, unbeschreiblich, ewig, unendlich, transzendent und immanent, weder persönlich, noch sächlich. Jegliche Existenz ist ein Aspekt dieses immanenten und kinetischen Shiva, der sich in dem Seienden als die Urkraft, Shakti, manifestiert. Durch eine Vibration wird die Trennung von Erkennendem und Erkanntem hervorgebracht. In diesem System ist die Seele eins mit dem Allgott, erkennt dies aber nicht, solange sie unrein ist, so dass es das Ziel ist, diesen Schleier der Unwissenheit zu heben um die Einheit mit dem höchsten Atman zu erkennen. Dazu ist ein Einblick in das wahre Wesen der Dinge notwendig, um einen umfassenden, objektlosen Zustand des reinen Selbst zu verwirklichen.

Shaiva Siddhanta

In Südindien entwickelte sich der Shaiva-Siddhanta im 8. bis 13. Jahrhundert unter den südindischen Draviden. Die heilige Literatur dieser Richtung besteht aus elf Sammlungen von Gedichten, dem im 10. oder 11. Jahrhundert redigierten Tirumurai, das von Shiva-Bhakti handelt und dem Periyapuranam, in dem das Leben shivaitischer Heiliger beschrieben wird. Die Texte werden den Kindern gelehrt und zuhause, in den Tempeln und während der Prozessionen gesungen. Der Shaiva-Siddhanta verwirft den Monismus und geht von einer ewigen Existenz der Seelen (Purusha) und der Welt (Prakriti) neben Gott aus. Dies basiert im wesentlichen auf den Ideen der dualistischen Samkhya-Philosophie. Im Gegensatz zu Shankaras Advaita Vedanta sind hier Shiva und Welt nicht identisch, existieren aber auch nicht unabhängig voneinander. Die Ursache der Welt ist die Maya, die Kraftsubstanz, durch die die Welt und alles Ungeistige hervorgerufen werden und dieses Dasein wird als Mayeya bezeichnet, welches Shiva aus der Maya entstehen ließ und in dem er durch seine Shakti wirkt. Die Seelen wurden dem Shaiva-Siddhanta gemäß in die Welt hineingesetzt, um es ihnen zu ermöglichen, die ihnen anhaftenden Unreinheiten abzulegen. Hier besteht ein Unterschied zu anderen Schulen, die annehmen, das Universum sei Shiva Natarajas Tanz, also sein Vergnügen. Die fünf Funktionen Shivas sind Evolution, Instandhaltung, Involution, erbarmungsvolles Verurteilen zum Samsara und Reinigung und Assimilation der Seelen. Dass die Seelen sich als begrenzt erleben, wird durch Anavamala verursacht, Betörung und geistige Finsternis, die das Karma bedingen, welches die Seele an die Existenz fesselt. Shiva ist Sat, Cit, Ananda, absolute Existenz, grenzenloses und allgegenwärtiges Wissen, bzw. kosmische Intelligenz und vollkommenen Seligkeit, bzw. absolute Harmonie. Shiva handelt in der Welt durch seine weibliche Energie, die Shakti.

Die Reinigung der Seele, die nötig ist, um das Karma zu überwinden und das Anavamala zu beseitigen, um in den reinen Shuddha-Zustand zu gelangen, besteht aus drei Stufen:

der fromme Wandel, in dem die Seele einen Gottesdienst vornimmt, durch Winden von Blumengirlanden für den Gott, Lobpreisung, Anzünden von Lichtern, Tempelreinigung u.ä. Kulthandlungen wie die Anbetung eines und Versenkung in ein Gottesbild und die Darbringung von Brandopfern und Yoga, d.h., Konzentration, Selbstbezwingung und Meditation mit dem Ziel der Erleuchtung Dies bedeutet hier, dass Shiva seine Shakti als Arul-Shakti ("Erleuchtung verleihende Shakti") sendet und der Adept Shiva als transzendent und immanent erkennt und sich ihm hingibt in der Weise, dass auf eigene Individualität und Aktivität verzichtet wird und so das Karma aufgelöst wird. Es wird jedoch betont, dass hierzu ein Guru vonnöten ist, ein vollkommen erleuchteter Lehrer. Abgesehen von Meditations-, Yoga- und Tantrapraxis der shivaitischen Yogis besteht der allgemeine in den Puranas beschriebene Shivaismus aus Andacht, Gebet, Mantrarezitation, Abhalten von Zeremonien und Ritualen in Tempeln und auf von Shiva bewohnten Bergen wie dem Kailash und dem Darbringen von Geschenken wie Blumen, Räucherwerk, Gewändern, Sonnenschirmen und ähnlichem. Neben dem kultischen Shivaismus gibt es auch einen devotionalen und poetischen Shivaismus, der sich in Nachfolge bestimmter Mystiker entwickelte, wie z.B. die Bewegung der Lingayats oder Vira Shaivas. Auch der Dashanami Sampradaya (siehe Hinduistische Orden), der im 8. Jhd. n.Chr. von Shankara begründet wurde, wird von vielen zu den Shaivas gezählt, und einige Untergruppen sind eindeutig den Shaivas zuzuordnen. Die philosophische Ausrichtung dieser Gruppen ist ähnlich dem kaschmirischen Shivaismus vornehmlich monistisch. So ist die Hauptschrift der Juna Akhada, die Avadhut Gita, ein radikal monistisches Werk.

Der Hinduismus

Der Hinduismus (Sanskrit: हिन्दू धर्म: Hindū Dharma, auch सनातन धर्म Sanātana Dharma und (क धर्म Vaidika Dharma) ist mit etwa 900 Millionen Anhängern die (nach Christentum und Islam) drittgrößte Religion der Erde und hat seinen Ursprung in Indien. Seine Angehörigen werden Hindus genannt. Gläubige Hindus verstehen ihre Religion oft auch als Lebensart. Die ältesten heiligen Schriften des Hinduismus sind die Veden. Die Bezeichnung Hinduismus ist erst spät entstanden und war anfangs eine von außen herangetragene Sammelbezeichnung für die Anhänger verschiedener religiöser Richtungen auf dem indischen Subkontinent, die nicht Moslems, Christen, Juden, Buddhisten oder Jainas waren. Der Begriff entwickelte aber eine beträchtliche Eigendynamik und wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter Englischsprachigen zur Eigenbezeichnung, bald auch zur Identität und zeigte mit der Entwicklung der Hindutva sogar Ansätze einer Ideologisierung. Abweichend vom oben gesagten definiert die indische Verfassung den Hinduismus jedoch so, dass er auch den Jainismus, Buddhismus und Sikhismus umfasst. Der Hinduismus ist deshalb eine Religion, die aus verschiedenen Richtungen mit recht unterschiedlichen Schulen und Ansichten besteht. Es gibt kein gemeinsames für alle gleichermaßen gültiges Glaubensbekenntnis. Nur einzelne Richtungen gehen auf einen bestimmten Begründer zurück. Da es sich beim Hinduismus um unterschiedliche religiöse Traditionen handelt, gibt es auch keine zentrale Institution, die Autorität für alle Hindus hätte. Die Lehren über spirituelle Belange und sogar die Gottesvorstellungen sind in den einzelnen Strömungen sehr verschieden, selbst die Ansichten über Leben, Tod und Erlösung (Moksha) stimmen nicht überein. Die meisten Gläubigen jedoch gehen davon aus, dass Leben und Tod ein sich ständig wiederholender Kreislauf (Samsara) sind, sie glauben an die Reinkarnation. Für den persönlichen Glauben haben religiöse Lehrer (Gurus) oft einen großen Stellenwert. Trotz aller Unterschiede können Hindus der verschiedenen Richtungen weitgehend gemeinsam feiern und beten, wenn auch ihre Theologie und Philosophie nicht übereinstimmt. „Einheit in der Vielfalt“ ist eine oft verwendete Redewendung zur Selbstdefinition im modernen Hinduismus.

Inhaltsverzeichnis

1 Geschichte des Hinduismus
1.1 Vedische Zeit
1.2 Zeit der Upanishaden
1.3 Klassische Zeit
1.4 Die islamische Invasion
1.5 Neohinduismus
2 Formen des Hinduismus
3 Glaubensrichtungen und Lehre
3.1 Gottesbild
3.2 Hinduistische Theologie
3.3 Die heiligen Schriften
3.4 Hauptrichtungen
3.5 Wiedergeburt und Erlösung
3.6 Die heilige Kuh und vegetarische Nahrung
4 Ethik und Soziologie des Hinduismus
4.1 Kastensystem
4.2 Rolle der Frau
4.2.1 Mutterschaft
4.3 Familie
4.4 Verbreitung

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Geschichte des Hinduismus

Vedische Zeit

Nach einer Theorie, die von Max Müller aufgestellt wurde, wanderten um 2000 v. Chr., am Ende der Indus-Kultur, arische Stämme nach Nordindien ein, die den weiteren kulturellen Verlauf maßgeblich prägten. Einige indische Historiker sind jedoch der Meinung, dass die Arier ein schon ansässiger Stamm gewesen seien, der zu dieser Zeit die Oberherrschaft erlangen konnte.
Zu den ältesten erhaltenen Schriften Indiens gehören der Rigveda, der Samaveda, der Yajurveda und der Atharvaveda sowie einige astronomische Texte. Die ältesten indischen Texte können nicht mit Bestimmtheit datiert werden. Sie erlauben einen Einblick in das frühe religiöse Leben, das von Tier- und Pflanzenopfern, rituellen Waschungen und Hymnen an die Götter bestimmt war. Noch heute im Hinduismus bekannte Götter (Vishnu, Brahma, Saraswati) werden dort bereits verehrt, wenngleich sie damals noch nicht zu den Hauptgottheiten zählten.
Der Rigveda enthält Hymnen, um die Götter zu preisen und anzurufen. Er ist von allen Vedas der älteste, die anderen drei Veden entlehnen etliche Inhalte aus dem Rigveda.
Der Samaveda besteht aus Gesängen, die die Opfer musikalisch begleiten.
Der Yajurveda enthält Prosaverse, die bei Opferriten rezitiert werden.
Der Atharvaveda enthält Mantras und Beschwörungen gegen Feinde und Krankheiten sowie Gebete zur Vergebung für Fehler während der Opfer.
Die frühe vedische Religion kannte keine Tempel oder Götterbilder. Die Götter wurden durch Feueropfer angebetet, man bot Opfergaben des heiligen Safts Soma, Ghi (Butterschmalz), Milch, Brot und manchmal Fleisch der Tiere dar.
Der Hinduismus ist eine Verschmelzung von mehreren verschiedenen religiösen Systemen: den altindischen Religionen und der Religion der vermutlich aus dem Norden eingewanderten Arier. Große Teile der Urbevölkerung Indiens, deren Geschichte weitgehend im Dunkeln liegt, wurden wahrscheinlich im Laufe der Zeit immer weiter in den Süden verdrängt. Aus dieser Kultur könnten Elemente wie die Verehrung von Göttinnen, heiliger Tiere und der Lingamkult stammen. Im Rigveda (auf ca. 1200 v.Chr. datiert, Datierung unsicher) der Arier hingegen werden die Götter teilweise als personifizierte Naturkräfte beschrieben, die Texte erzählen von Gold, Rindern und Kämpfen und fragen nach dem Wesen des Göttlichen. „Dem, das Eine Wahrheit ist, geben die Weisen viele Namen, sie nennen Es Agni, Yama, Matarishvan.“ (Rigveda 1,164,46)

Zeit der Upanishaden

In der nächsten Entwicklungsstufe (ca. 800 v. Chr) erhielt die Brahmanenkaste durch komplizierte Rituale einen hohen Grad an Einfluss. Eine Neuausrichtung beginnt in der Zeit der Upanishaden (700 v. Chr. bis 500 v. Chr.). Sie wird bereits sichtbar in den Brahmanas und den Aranyakas und zeigt sich dann in der Philosophie der Upanishaden. Die Unterteilung in diese drei Textgattungen folgt der indischen Tradition, allerdings sind die Grenzen zwischen diesen Textsorten fließend. Die Brahmanas entwickeln eine komplizierte Opfertheologie, die Aranyakas („Wald- oder Wildnisbücher“) behandeln Geheimlehren, die nicht in den Siedlungen, sondern außerhalb (eben im Wald) diskutiert wurden, und die Upanishaden enthalten mystische Spekulationen. Sie umfassen etwa 250 Schriften, die über mehrere Jahrhunderte entstanden sind und Themen wie Wiedergeburt, Yoga und Karma ansprechen. Insbesondere die 13 vedischen Upanishaden haben den späteren Hinduismus geprägt.

Klassische Zeit

Das Ende der Upanishadenzeit wird oft als ein Einschnitt angesehen: Die Zeit davor wird in der Indologie gewöhnlich Brahmanismus genannt, und Hinduismus bezeichnet dann ausschließlich die nachfolgende Zeit. Seit 500 v. Chr. erfuhr der Hinduismus wahrscheinlich seine bis heute überlieferte wesentliche Ausgestaltung. Die Sprache der Überlieferung war Sanskrit, eine indogermanische Sprache, verwandt mit den europäischen Sprachen. Als Hauptgötter galten nun Brahma, Vishnu und Shiva, und es wurden Tempel gebaut, Götterstatuen aufgestellt und viele Kult- und Weihehandlungen entstanden.
Krishna und Rama, nach Hinduglauben menschliche Verkörperungen des Gottes Vishnu, erscheinen in der epischen Literatur zwischen 200 v. Chr. und 400 n. Chr. Das Ramayana und das Mahabharata sind umfangreiche und noch heute vielgelesene Dichtungen dieser Periode. Der wichtigste Teil des Mahabharata ist das Lehrgedicht Bhagavad Gita. In diese Zeit fällt auch die Ausformung einer Vielzahl von Glaubensrichtungen, die einzelne Götter speziell verehren (beispielsweise Shaktismus, Shivaismus und Vishnuismus), sowie eine Kodifizierung der brahmanischen Lehre im Dharma Sutra und dem Dharma Shastra.
Seit dem 4. Jh. v. Chr. verloren die hinduistischen Religionen durch den Buddhismus zwar Anhänger, sie gingen jedoch nie ganz unter und wurden ab dem 4. Jh. n. Chr. von den damaligen Königen wieder bevorzugt. Die darauf folgende Zeit von 400 bis 1000 ist durch die Puranas und eine Vielzahl historischer, mythologischer und lehrender Schriften charakterisiert. In diese Zeit fällt auch der Beginn tantrischer Traditionen.
Im 8. Jh. gründete der Philosoph Shankara die ersten hinduistischen Orden.

Die islamische Invasion

Seit dem 8. Jahrhundert griff der Islam auf den indischen Subkontinent über und dominierte im 16. und 17. Jahrhundert unter dem Mogulreich. Im Punjab entstand der Sikhismus.
Der Niedergang des Mogulreiches fiel mit der Ankunft der East India Company zusammen, die den Hinduismus mit christlichem und abendländischem Gedankengut konfrontierte.

Neohinduismus

Im 19. Jh. entstanden in Indien verschiedene religiös-soziale Reformbewegungen, die aus der Begegnung Indiens mit Europa hervorgegangen sind. Das Kastensystem oder die Tradition der Witwenverbrennung wurden auch innerhalb des Hinduismus verstärkt hinterfragt. Im Zuge dieser Entwicklung begannen Hindus sich als Einheit aufzufassen (was vorher nicht in dem Maße der Fall gewesen war). Von Anfang an war der Neohinduismus mit den Unabhängigkeitsbestrebungen verbunden. Die christlichen Missionare in Indien bewirkten weniger ein Konvertieren zum Christentum als eine Auseinandersetzung mit der eigenen Religion. Die Übersetzungen der europäischen Indologen von Sanskrit in Englisch in gedruckter Form hatten zur Folge, dass das traditionelle Schriftgut auch in Indien einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wurde.
Mehrere Organisationen formierten sich in dieser Zeit. Der Brahmo Samaj (gegründet 1828 von Ram Mohan Roy in Kalkutta) entwickelte einen monotheistischen Ansatz und sah im absolut formlosen Brahman den einen und einzigen Gott, das höchste Wesen. Der Arya Samaj (gegründet 1875 von Dayananda in Mumbai) wollte den Hinduismus von späteren Einflüssen befreien, die er als Verfälschungen ansah, wie z. B. den Puranas. Er lehnte den Polytheismus und das Kastensystem ab und sah nur den Veda als Quelle der Offenbarung an. Beide Organisationen wandten sich gegen die Bilderverehrung und strebten soziale Reformen an.
Nach dem Vorbild der christlichen Mission gründete Swami Vivekananda 1897 die Ramakrishna-Mission, mit dem Ziel, die Lehre des Vedanta, den er als Vollendung der Religionen betrachtete, auf der ganzen Welt zu verbreiten. Sein Lehrer Ramakrishna vertrat die Ansicht, alle Religionen der Welt verkündeten dieselbe Wahrheit, die Vielfalt der Religionen sei lediglich Schein (Maya). Die Rede Vivekanandas vor dem Weltparlament der Religionen 1893 in Chicago, in der er erstmals den Hinduismus als Universalreligion vorstellte, war die erste Gelegenheit, bei der sich der Hinduismus außerhalb Indiens präsentierte.
Die Unabhängigkeitsbewegung Indiens unter Mahatma Gandhi mit seinem gewaltfreien Widerstand trug zu einem größerem Interesse an hinduistischen Traditionen in der westlichen Welt bei.

Formen des Hinduismus

Der Indologe Axel Michaels unterscheidet drei Formen hinduistischer Religionen, die jedoch nicht allgemein anerkannt sind:
Brahmanischer Sanskrit-Hinduismus: teils polytheistische, teils monotheistische, sehr stark ritualistische, brahmanische Priesterreligion mit Berufung auf die Veden als Autorität. Diese Religion steht im Vordergrund der meisten Abhandlungen über den Hinduismus und wird von den meisten Bevölkerungsgruppen als am prestigeträchtigsten anerkannt.
Hinduistische Volks- bzw. Stammesreligionen: polytheistische, teilweise animistische Religionen mit lokalen, gemeinschaftlichen und kastenübergreifenden Festen und Verehrungsformen sowie oralen Traditionen oder Texten in den Volkssprachen. Diese Religionen haben eigene Priester und nur lokal verehrte Gottheiten, einschließlich vergöttlichter Helden und Geister, von denen Menschen besessen werden können. Die Verehrungsformen gelten dem brahmanischen Sanskrit-Hinduismus oft als unrein.
Sektenreligionen:
Vishnuitisch: Srivaishnava, Pancharatra, Ramanandi, Naga, Tyagi etc.
Shivaitisch: Dashanami, Natha, Pashupata, Aghori.
Synkretistisch: Smarta, Arya Samaj, Brahmo Samaj, Ramakrishna und Vivekananda etc. „Missionierende“ Guru-Religionen: Sathya Sai Baba, Mata Amritanandamayi, Maharishi Mahesh Yogi etc.

Glaubensrichtungen und Lehre

Der Hinduismus kennt keine gemeinsame Gründerperson. Jede Glaubensrichtung hat eigene nur für sie verbindliche heilige Schriften: z. B. Vishnuiten das Bhagavatapurana, Shaktianhänger das Devi Mahatmya, ein puranisches Werk zur Verehrung der Göttin. Dagegen gelten die Veden mit den Upanishaden und die Bhagavad Gita (als Bestandteil des Mahabharata) als die grundlegenden heiligen Texte für alle Hindus.
Entgegen dem ersten Anschein ist der Hinduismus keine polytheistische Religion. Westliche Religionswissenschaft und die Indologie bezeichnet ihn als Henotheismus, da alle Götter – je nach individueller Glaubensausrichtung – Ausdruck des einen höchsten persönlichen Gottes oder auch der unpersönlichen Weltseele (Brahman) sein können. Hinduistische Lehren betrachten den Kosmos als geordnetes Ganzes, das vom Dharma, dem Weltgesetz, welches die natürliche und sittliche Ordnung darstellt, beherrscht wird. Zentren hinduistischer Religiosität sind neben dem eigenen Haus die Tempel. Einer der größten Tempelkomplexe und Pilgerzentren ist Tirumala Tirupati in Südindien. In Nordindien zieht die heilige Stadt Varanasi am Ganges immer wieder Unmengen von Pilgern an.

Gottesbild

Die verschiedenen hinduistischen Traditionen und Philosophien vertreten unterschiedliche Gottesbilder, Hauptrichtungen sind jedoch Shivaismus, Vishnuismus sowie Shaktismus, die Verehrung Gottes in weiblicher Form. Brahma, Shiva und Vishnu werden auch als Dreiheit Trimurti, dargestellt. Die Verehrung von Shiva und Vishnu, jeweils in unzähligen verschiedenen Formen und Namen, ist weit verbreitet. Brahma dagegen ist nur noch in der Mythologie präsent, in der Verehrung spielt er fast keine Rolle mehr, seine Stelle nimmt seine Shakti ein, die Göttin Saraswati. Daneben gibt es aber unzählige andere Manifestationen z. B. den elefantenköpfigen Ganesha, der als Sohn von Shiva und Parvati gilt, sowie Hanuman, der Diener Ramas, der wiederum ein Avatar von Vishnu ist. Es gibt auch eine große Zahl weiblicher Gottheiten, die entweder als „Große Göttin“ (Mahadevi) autonom auftreten wie etwa Durga oder als Gemahlinnen bzw. weibliche Seite der männlich gedachten Götter gelten, z. B. Sarasvati und Lakshmi. Die meisten Gläubigen gehen davon aus, dass die Anbetung eines jeden Gottes dem Anbeten des höchsten Göttlichen entspricht, da alle Erscheinungsweisen des Einen seien. Andere dagegen verehren das Höchste nur in einer Form, wie etwa viele der Anhänger Krishnas, und betrachten die anderen Götter als ihm untergeordnete Devas. Die Verehrung des Göttlichen in Bildern und Statuen ist weit verbreitet, viele Hindus jedoch lehnen die Verehrung in dieser Form strikt ab.

Hinduistische Theologie

Die heutige Bedeutung und das intuitive Verständnis des deutschen Begriffs „Gott“ mit dem Hinduismus in Bezug zu setzen, mag verwirrend wirken. Von den indogermanisch ererbten Grundzügen her bestehen aber Zusammenhänge, die auch den Begriff „Gott“ betreffen. Manche Strömungen des Hinduismus glauben an einen obersten Gott, benannt als Ishvara (wörtl.: der Höchste Herr). Es gibt auch ihm unterstellte Wesen, die Devas genannt werden. Sie können als Götter, Halbgötter, Engel, himmlische Wesen oder Geist angesehen werden und stehen zwischen dem Ishvara und den Menschen.
Einer der wichtigsten Begriffe im Hinduismus ist das Brahman – der höchste kosmische Geist. Brahman ist die unbeschreibbare, unerschöpfliche, allwissende, allmächtige, nicht körperliche, allgegenwärtige, ursprüngliche, erste, ewige und absolute Kraft. Es ist ohne einen Anfang, ohne ein Ende, in allen Dingen enthalten und die Ursache, die Quelle und das Material aller bekannten Schöpfung, rational unfassbar und doch dem gesamten Universum immanent. Die Upanishaden beschreiben es als das Eine und unteilbare ewige Universalselbst, das in allem anwesend ist und in dem alle anwesend sind. Diese unpersönliche Vorstellung von Gott wird ergänzt oder ersetzt durch die Sichtweise auf einen persönlichen Gott, wie es beispielsweise in der Bhagavadgita geschieht. Hier wird der persönliche Gott, der Ishvara oder höchste Purusha, über die Welt der Erscheinungen und den “unbeweglichen“ Brahman gestellt.
Nach Auffassung des Advaita Vedanta ist der Mensch in seinem innersten Wesenskern mit dem Brahman identisch. Dieser innere Wesenskern wird auch Atman genannt. Diese Identität kann prinzipiell von jedem Menschen erfahren bzw. erkannt werden.
Advaita Vedanta (Nichtdualität) ist die Lehre Shankaras (788–820 n. Chr), die auf diese Erkenntnis der Einheit zielt und die Erscheinungen der Welt als Maya bezeichnet. Nach Lehre des Vishishtadvaita (qualifizierter Monismus) von Ramanuja dagegen ist Gott alles was existiert, es besteht jedoch ein qualitativer Unterschied zwischen individueller Seele und höchstem Gott. Am anderen Ende des Spektrums steht die rein dualistische Philosophie des Dvaita Vedanta des Madhvas, die streng zwischen Seele und Gott unterscheidet. (siehe: Indische Philosophie)

Die heiligen Schriften
Die vier Veden, bestehend aus dem Samhitas und drei Schichten Kommentaren, nämlich den Brahmanas, Aranyakas und den Upanishaden, sind die höchsten heiligen Texte des Hinduismus. Sie werden Shruti genannt, was „das Gehörte“ bedeutet (von den Rishis, den Weisen, direkt von Gott). Alle weiteren heiligen Texte werden Smriti (Gedächtnis) genannt und werden als von menschlichem Ursprung angesehen. Zur Smriti zählen z. B. Ramayana, Mahabharata, Bhagavad Gita und die Puranas. Die Veden galten früher als geheim und sind schwierig zu verstehen. Die Smritis sind hingegen einfacher und populärer und werden von den meisten Hindus gelesen.

Hauptrichtungen

Die wichtigsten Strömungen innerhalb des Hinduismus sind der Vishnuismus und der Shivaismus. Vishnuiten glauben, dass ihr höchster Gott Vishnu sich in mehreren Inkarnationen (Avatara) in der Welt manifestiert hat. Vishnu inkarniert sich vor allem dann in der Welt, wenn die kosmische Ordnung (Dharma) gefährdet ist und seiner Rettung bedarf. Zu den klassischen zehn Inkarnationen zählen unter anderem Rama und Krishna. Die Idee der Inkarnationenlehre ist, dass Vishnu das höchste göttliche Prinzip ist, das alle anderen Gottheiten und die materielle Welt hervorbringt. Einige Schulen des Vishnuismus verkörpern eine monistische Sichtweise, andere dagegen vertreten eine monotheistische Sicht, z. B. viele Anhänger Krishnas. Im Vishnuismus spielt die Hingabe an einen persönlichen Gott (Bhakti) meist eine größere Rolle als im Shivaismus.
Shivaiten gehen davon aus, dass Shiva der Höchste sei, der alle anderen Götter an Macht überragt und sie zudem erschaffen hat. Shiva gilt als Gott der Asketen, der im Himalaya meditiert und in periodischen Zyklen die Welt zerstört, um sie wieder neu zu erschaffen. Shiva wird, mit Ausnahme des Shiva-Nataraj, meist nicht in anthropomorphen Formen, sondern eher in seinem Symbol, dem Lingam, verehrt. Shivaiten können Dualisten, wie im Shaiva Siddhanta, oder Monisten im Sinne Shankaras oder auch Tantriker, wie im Shivaismus Kaschmirs, sein. In manchen Strömungen des Shivaismus spielt Yoga eine große Rolle.
Neben Shivaismus und Vishnuismus spielen auch Richtungen des Shaktismus eine Rolle.

Wiedergeburt und Erlösung

Götter, Menschen und Tiere durchwandern nach hinduistischer Glaubensvorstellung in einem durch ewige Wiederkehr gekennzeichneten Kreislauf Samsara die Weltzeitalter Yuga. Während des Lebens wird je nach Verhalten gutes oder schlechtes Karma angehäuft. Dieses Gesetz von Ursache und Wirkung von Handlungen beeinflusst nach hinduistischer Vorstellung zukünftige Reinkarnationen und die Erlösung (moksha), das Aufgehen des Atman (das innewohnende Brahman). Es ist nur bedingt zu vergleichen mit der Seele, da die Seele etwas Individuelles (also bei jedem verschieden) und das Atman immer das gleiche ist im „kosmischen Bewusstsein“ (Brahman). Die persönliche Erleuchtung ist der Endpunkt der Entwicklung des Geistes, und je nach Realisation des Suchenden kann diese durch die klassischen drei Methoden erreicht werden: Bhakti Yoga, die liebende Verehrung Gottes, Karma-Yoga, den Weg der Tat, sowie Jnana Yoga, den Weg des Wissens. Oft zählt man als vierten Weg Raja Yoga, den „Königsweg“ hinzu.

Die heilige Kuh und vegetarische Nahrung

Möglicherweise auch als Reaktion auf den Vegetarismus im Buddhismus und auf die gestiegene Bedeutung von Ahimsa, der Gewaltlosigkeit, forderten die hinduistischen Schriften verstärkt Verzicht auf den Verzehr von Fleisch. In vedischen Zeiten waren die Lebensumstände noch völlig anders. In einigen Schriften gibt es Hinweise, dass Fleisch, selbst Rindfleisch, gegessen wurde, wobei es sich aber stets um das Fleisch von Opfertieren gehandelt haben dürfte.
Allgemeiner Vegetarismus ist jedoch für Hindus weder eine Forderung noch ein Dogma, jedoch wird die vegetarische Lebensweise als die ethisch höhere angesehen, da Fleisch ein Produkt der Tötung ist und nicht sattvic (rein). Vegetarier sind in allen Bevölkerungsschichten zu finden, besonders wird der Verzicht aber von Brahmanen erwartet. Prinzipiell lehnen aber fast alle Hindus den Genuss von Rindfleisch ab.
In der indischen Mythologie finden sich vielfältige Bezüge zur Kuh (Go). Von Krishna wird gesagt, er sei einerseits ein Govinda (Kuhhirte) und andererseits ein Gopala (Beschützer der Kühe). Seine Gefährtin Radha ist eine Gopi (Hirtenmädchen), Shivas Reittier ist der Bulle Nandi.
Siegel aus vergangenen indischen Kulturen (Indus-Kultur) lassen darauf schließen, dass Kühe schon vor mehr als viertausend Jahren einen besonders hohen Stellenwert hatten. Die wichtigsten Wurzeln für die Verehrung sind jedoch die Veden, in denen immer wieder das Bild der Heilige Kuh als göttliches Wesen auftaucht. Trotzdem wurden Rinder in Indien zur Zeit des Neolithikums uneingeschränkt geopfert und verspeist. Warum und wann sich dies änderte, ist unklar. Der Kulturanthropologe Marvin Harris führt die Tatsache auf veränderte ökonomische Rahmenbedingungen zurück: Mit dem Aufkommen des Staates und einer größeren Bevölkerungsdichte konnten nicht mehr genügend Rinder gezüchtet werden, um sowohl als fleischliche Nahrungsquelle als auch als Zugtiere genutzt zu werden. Möglicherweise war das einer der Gründe, dass die Tötung von Kühen auch als Opfertier für Hindus ein absolutes Tabu wurde und ihr Fleisch bis heute nicht gegessen wird. Interessanterweise waren es gerade die früher für die rituelle Rinderschlachtung verantwortlichen Brahmanen, die sich später am stärksten für den Schutz der Rinder einsetzten.

Ethik und Soziologie des Hinduismus

Kastensystem

Die Zugehörigkeit zu einer Kaste hat für indische Hindus trotz des Verbots von Diskriminierung aufgrund von Kasten in der Verfassung weiterhin soziale Relevanz. Grundsatz der Kastenordnung ist, dass die Lebewesen von Geburt an nach Aufgaben, Rechten, Pflichten und Fähigkeiten streng voneinander getrennt sind. Für die einzelnen Kasten, denVarnas, gibt es unterschiedliche spezielle religiöse und kultische Vorschriften, die sich in allen Bereichen des Lebens äußern. Die Durchführung der Pflichten, die jeder Kaste in ihrem spezifischen Lebensstadium obliegt, ist ihre unbedingte Pflicht (Dharma); Übertretungen werden als Versäumnis der Pflichten und folglich als schlecht (Adharma) angesehen. Was von jedem Menschen erwartet wurde, war, dass er den spezifischen Pflichten seiner Kaste folgte, seine Lebenswünsche befriedigte und die Freuden des Lebens genoss. Die Gesellschaft war in vier Kasten eingeteilt, deren Aufgaben idealerweise folgende waren:
Brahmanen. Sie studierten die heiligen Schriften der Veden; erteilten geistliche Unterweisung und führten die rituellen Opfer aus.
Kshatriyas, die Kriegerkaste. Sie sollten die Schwachen schützen, als Könige gerecht regieren und den Brahmanen Schutz und Ermunterung bei ihren gelehrten und priesterlichen Arbeiten gewähren.
Vaishyas, die Kaste der Händler und Hirten, sollten den Reichtum des Landes durch Handel und Landwirtschaft vermehren.
Shudras, die dienende Kaste. Sie setzten sich aus der Bevölkerung der Nicht-Aryas zusammen und sollten als Bedienstete für die Brahmanen, Kshatriyas und Vaishyas arbeiten.
Unterhalb der vier Hauptkasten sind die Dalits (früher als „Unberührbare“ bezeichnet), die für minderwertige Arbeiten wie Toilettenreinigen und Straßenkehren zuständig sind. Um die Stellung der Dalits zu verbessern, hat die Regierung eine beträchtliche Anzahl von Arbeitsplätzen im öffentlichen Sektor für sie vorbehalten (Lonely Planet, 11th Edition, S. 58). Die Kasten sind wiederum unterteilt in Tausende von „Familiengruppen“ oder soziale Gemeinschaften, die Jati genannt werden. In sie wird ein Individuum hineingeboren und sie sind manchmal – aber nicht immer – mit einer beruflichen Tätigkeit verbunden.

Rolle der Frau

Die Rolle der Frau im Hinduismus hat über die Jahrhunderte und Jahrtausende eine kontinuierliche Entwicklung durchgemacht und muss immer auch im Zusammenhang mit den jeweiligen Lebensumständen sowie der verschiedenen hinduistischen Kulturen gesehen werden. Einerseits verboten einige Gesetzgeber den Frauen das Lesen der Veden, einige Hymnen des Rigveda jedoch wurden von Frauen geschrieben, und in der Brhadaranyaka Upanishad finden wir einen Dialog zwischen der gelehrten Tochter von Vachaknu Gargi und Yajnavalkya. Aus dieser Zeit ist auch die Sitte des Svayamvara überliefert, wörtlich „Selbstwahl“: Frauen am Königshof wurden nicht einfach verheiratet, sondern wählten den Bräutigam aus den in Frage kommenden Kandidaten selbst aus.
Ein zentrales Ritual, das Upanayana (Initiationsritus für Knaben), ist von frühester Zeit an jedoch nur männlichen Angehörigen der oberen Kasten vorbehalten. Es ist diese kultische Handlung, die einen Menschen zum Dvijati werden lässt, zum „Zweimalgeborenen“. Nach der natürlichen Geburt stellt das Upanayana die kulturelle Geburt dar.
Eine wichtige Rolle im hinduistischen Frauenbild stellt Sita dar, die Gattin Ramas aus dem großen Epos Ramayana. Das Bild der opferbereiten Gattin stellt für viele noch heute das Modell der idealen Frau dar. Sie wurde dadurch zum wichtigen Thema im indischen Feminismus und in der modernen indischen Literatur.
Einerseits kann man aus heutiger Sicht bemängeln, dass hinduistische Traditionen Frauen oft nicht die Rechte zugestehen, die ihnen aus moderner Sicht zustehen würden. Andererseits war etwa Professor H. H. Wilson der Ansicht, dass Frauen in keiner anderen antiken Nation in so großer Achtung standen wie bei den Hindus.

Mutterschaft

Eine der Hauptaufgaben der Frau im Hinduismus ist die Mutterschaft. Jedes Stadium der Schwangerschaft bis hin zur Geburt wird begleitet von sakramentalen Riten zum Schutz und zu körperlichem und geistigem Wohlergehen von Mutter und Kind. Früher sollten Frauen möglichst viele Söhne bekommen, da diese die Sicherheit und das Überleben der gesamten Familie garantieren konnten. Obwohl Hindus die Töchter nicht generell geringer schätzen, gelten sie doch zu oft auch heute noch in manchen Familien als Belastung, da sie bei ihrer Hochzeit die Mitgift mitbringen müssen und die Familie durch Mitgiftzahlungen für zu viele Töchter auch verarmen kann. Dieses Problem führt zu einer hohen Abtreibungsrate bei weiblichen Föten. Viele moderne Hindus, besonders in den Städten, freunden sich allmählich mit dem Gedanken an, dass auch eine Tochter ihre Eltern im Alter versorgen kann.

Familie

Normalerweise ist in der traditionellen Familie der Vater das Oberhaupt. Er trifft alle wichtigen Entscheidungen, beispielsweise über Geldangelegenheiten, Hochzeit usw. – zumindest soll es nach außen hin so aussehen. Traditionellerweise ist die Mutter-Sohn-Bindung die engste im indischen Familiensystem. Meist wohnt der Sohn mit seiner Ehefrau im Haus der Eltern, wenn die räumlichen Verhältnisse dies zulassen. Bei den Töchtern jedoch ist auch heute noch meist von vorneherein klar, dass sie das Haus verlassen werden, um in die Familie des Ehemannes zu ziehen. Dies ist nicht einfach für die junge Ehefrau. Sie ist diejenige in der Familie mit den wenigsten Rechten, ihr Status verbessert sich oft erst, wenn sie Kinder (am besten einen Sohn) bekommt. Ältere Frauen, d. h. Schwiegermütter, haben oftmals einen sehr soliden Status und sind mit genügend Autorität ausgestattet. Eine soziale Rolle, die im Hinduismus traditionell nicht sehr angesehen ist, ist die der unverheirateten Frau. Ledige Frauen wohnen in Indien meist nicht alleine, sondern weiter im Haushalt der Eltern. Das Verhältnis zwischen Ehegatten ist in erster Linie von Pragmatismus geprägt. Bei einer „arranged marriage“ sucht die Familie jene Person als Ehemann bzw. Ehefrau aus, die in Bezug auf Bildung, Status etc. am ähnlichsten ist. Die Liebe kommt später, sagt man in Indien. Das sei wie ein Topf Wasser, den man auf den Herd stelle und der eben erst später zu kochen anfange. Sogenannte „love marriages“ sind jedoch heute immer häufiger.
Das Ideal ist ein vierstufiges Lebensmodell, das vorsieht, nach den Schülerjahren eine Familie zu gründen und erst nachdem die Kinder erwachsen geworden sind sich zurückzuziehen und sich intensiv religiösen Studien und der eigenen Erlösung zu widmen.

Verbreitung
Der Hinduismus ist heute in Indien, Nepal, Bangladesch, Sri Lanka, Bali und selbst in Mauritius, Südafrika, Fidschi, Singapur, Malaysia, Surinam, Trinidad und Tobago verbreitet sowie in Europa besonders in Großbritannien. Dies erfolgte größtenteils durch Händler und indische Arbeiter, die im 19. und 20. Jahrhundert einwanderten. Des Weiteren erfolgte in den letzten Jahrzehnten eine Einwanderung indischer Arbeitnehmer in die arabischen Staaten am Persischen Golf.