Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein (ISKCON)

Die Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein (ISKCON, Kurzform von International Society for Krishna Consciousness), im Westen besser bekannt als Hare Krishna, ist eine von Abhay Charan Bhaktivedanta Swami Prabhupada gegründete Organisation, die, von manchen Religionswissenschaftlern als Neue Religiöse Bewegung eingestuft, auf der Grundlage des Hinduismus vishnuitischer Prägung (Vishnuismus) die Brahma Madhva Gaudiya Sampradaya fortführt.





Inhaltsverzeichnis 

1 Einige Stichworte zum kulturhistorischen Hintergrund 
1.1 16. Jahrhundert
1.2 19. Jahrhundert
1.3 Spätes 20. Jahrhundert
2 Entwicklung der ISKCON 
2.1 Landwirtschaftliche Projekte
2.2 Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen
3 Lehren der ISKCON 
3.1 Religiöse Praxis
3.2 Religiöse Regeln
4 Besonderheiten der ISKCON 
4.1 Bewusstseinsveränderung durch Mantra-Gesänge
4.2 Ablehnung der Evolutionstheorie
4.3 ISKCON in Indien
5 Einzelnachweise
6 Weblinks
7 Weiterführende Literatur

Einige Stichworte zum kulturhistorischen Hintergrund 

16. Jahrhundert 

Der Einfall der Muslime in Indien (14.–16. Jahrhundert) hinterließ im kollektiven Bewusstsein der Hindus eine tiefe Wunde, die bis heute nachwirkt. Die traditionelle Religions- und Gesellschaftsordnung (Kastenordnung) wurde erschüttert, die Hindus sahen sich anstelle von hinduistischen Brahmanen und Fürsten von fremdgläubigen Eroberern regiert, Tempel wurden zerstört. Religiöse Lehrer versuchten auf diesen „Zusammenprall der Kulturen“ auf verschiedene Weise zu reagieren (vergleiche Eintrag zu den Sikh); einer dieser Lehrer war Chaitanya. Er begründete eine auf dem Gott Krishna ausgerichtete Frömmigkeitsbewegung, die über Kasten- und Religionsgrenzen hinwegging und Menschen unterschiedlichster Herkunft einbezog. Wichtigstes Kennzeichen dieser Bewegung war das ekstatische Singen des Mantras Hare Krishna, Hare Krishna, Krishna Krishna, Hare Hare/Hare Rama, Hare Rama, Rama Rama, Hare Hare. Hari ist ein Beiname des Vishnu; Rama bedeutet wörtlich „Freude“ und bezeichnet den siebenten Avatar des Gottes Vishnu, den Heros und Gott Rama. Die Formen sind Vokative, das Mantra lautet also wörtlich „O Hari, O Krishna …“ etc. Da „in diesem Zeitalter des Streites und der Heuchelei“ (noch einmal: die traditionelle Gesellschaftsordnung war beschädigt) die ordnungsgemäße Durchführung religiöser Rituale nicht mehr möglich sei, bildete das Singen des Mantras den einzigen Weg zur Erlösung.

Von Chaitanya ist überliefert, dass er einen Muslim in seine Gemeinschaft aufgenommen hatte, der für seine Hinwendung zur Krishna-Bewegung aus der islamischen Gemeinschaft ausgestoßen und für vogelfrei erklärt wurde; und Chaitanya nahm ihn nicht nur in seine Gemeinschaft auf, sondern erklärte den ehemaligen Muslim zum „namacharya“ (etwa: „Ehren-Guru“) des Chantens (Singens) von „Hare Krishna“. Diese Episode ist sehr wichtig, da sie etwas Bedeutsames über das Verhältnis der von Chaitanya begründeten Bewegung zu anderen Religionen verrät.

Während seines Lebens und nach seinem Tode erlangte Chaitanya im Bewusstsein seiner Anhänger schnell den Status Gottes. Er wird von ihnen als zehnter Avatar des Vishnu beziehungsweise als Reinkarnation Krishnas betrachtet, dabei beruft man sich auf verschiedene heilige Schriften (diese Deutung wird von den meisten Anhängern des Hinduismus nicht geteilt).

19. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert ergab sich ein weiterer „Zusammenprall“ des Hinduismus mit den auf die Lehren des Hinduismus herabschauenden christlich-protestantischen britischen Invasoren. Als Reaktion auf das missionarisch auftretende, Exklusivität beanspruchende Christentum wurde versucht, die Bhagavad Gita als „Bibel des Hinduismus“ zu etablieren und eine Krishna-Religion zu schaffen, die auf Chaitanya als „Messias“ aufbaut und nach außen missionarisch auftritt. In seinem Aufsatz „Das Bhagavata: Seine Philosophie, seine Ethik und seine Theologie“ bezeichnet Bhaktivinoda Thakura den Mystiker Chaitanya in Analogie zu Jesus Christus als „Heiland des Ostens“. Bhaktisiddhanta Saraswati, der Sohn des Bhaktivinoda Thakura, gründete den Orden Gaudiya Math (Orden der Gaudiya Vaishnavas). Ziel dieses Ordens ist es, die Religion von Krishna „auf der ganzen Welt“ zu verbreiten. Da die meisten Hindus jedoch Indien als „heiliges Land“ ansehen und es deswegen in früheren Zeiten seltener verließen, blieb die Krishna/Chaitanya-Religion vorläufig auf Indien beschränkt.

Spätes 20. Jahrhundert 

Ein Mensch, der den Auftrag Bhaktsiddhanta Saraswati Thakuras ernst nahm, war A. C. Bhaktivedanta Prabhupada. Er begab sich im Herbst 1965 in die Vereinigten Staaten von Amerika. Er reiste auf einem Frachtschiff mit nur geringem persönlichen Gepäck aber drei großen Kisten seiner Schriften. Er gründete 1966 in New York die ISKCON und ging unter anderem auch nach Kalifornien, dem damaligen „Mekka“ der Aussteiger, Esoteriker und Hippies, wo seine Botschaft auf offene Ohren stieß. Die amerikanische Gesellschaft befand sich im Umbruch (Vietnamkrieg, Frauenrechte, Gleichberechtigung der schwarzen Mitbürger); das allgemeine Interesse an fernöstlichen Religionen war hoch. Die Lehren der ISKCON und ihr Auftreten in der Öffentlichkeit hatten großen Einfluss auf die Popkultur. So wurde das Hare-Krishna-Mantra Bestandteil in Texten von Pop-Songs (beispielsweise in Songs von George Harrison, Boy George und Stevie Wonder und im Musical Hair) und Figuren, die die Anhänger der Bewegung darstellen sollen, tauchten im Videospiel GTA auf.[2] Von Amerika aus verbreitete sich die ISKCON als Großstadt-Religion über die ganze Welt. 1970 wurde in Hamburg der erste deutsche Hare-Krishna-Tempel gegründet.

Einer von Prabhupadas Privatsekretären, Robert Campagnola, leitete nach Prabhupadas Tod den für Nord- und Osteuropa zuständigen Zweig des Bhaktivedanta Book Trust und war einer derjenigen, die diesen vom Hinterhofunternehmen zu einem bedeutenden Verlag ausbauten, mit Hilfe dessen die Ideen der Bewegung verbreitet wurden.

Entwicklung der ISKCON



Landwirtschaftliche Projekte

Die ISKCON betreibt mehrere ökologische Bauernhofprojekte auf der ganzen Welt. In Deutschland gibt es eine solche Gemeinschaft im Bayrischen Jandelsbrunn seit 1982 mit dem einzigen Narasimha-Tempel Europas.

Besonderes Augenmerk liegt dabei auch auf dem Schutz der Kuh, wie er auch in den heiligen Schriften des Hinduismus gefordert wird. Anders als in der konventionellen Nutztierlandwirtschaft werden Mutterkuh und Kalb nicht voneinander getrennt; Kühe bzw. Bullen werden auch bei Krankheit und hohem Alter nicht getötet. Diese Bemühungen werden in den USA beispielsweise durch die „International Society for Cow Protection“ vorangetrieben, die nach eigener Aussage eine Alternative zur herkömmlichen Landwirtschaft aufzeigen will.

In Großbritannien kam es im Dezember 2007 zu einem in den Medien Aufsehen erregenden Vorfall: Die britische Tierschutzorganisation RSPCA verabreichte der auf einer ISKCON-Farm gepflegten Kuh „Gangotri“ eine tödliche Injektion, ohne die Farmbetreiber im voraus, wie zuvor vereinbart, darüber zu informieren.

Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen 

Neben verschiedenen Predigeraktivitäten an Schulen und Universitäten arbeitet die ISKCON mit verschiedenen Hochschulen zusammen, so gibt es einige Vertreter der Organisation, die an Hochschulen als Dozenten tätig sind, beispielsweise am "Oxford Centre for Hindu Studies"oder an der „Chinese University of Hong Kong“.

Die University of Wales, Lampeter bietet zusammen mit der ISKCON den Studiengang „Vaishnava Theology“ an; die Ausbildung erfolgt am „Bhaktivedanta College“, einer Einrichtung der Organisation in den Ardennen in Belgien .

Die ISKCON selbst betreibt, teilweise mit staatlicher Unterstützung, in verschiedenen Teilen der Welt Grundschulen und weiterführende Schulen .

Darüber hinaus ist die Etablierung von Großbritanniens erster staatlich finanzierten Hindu-Schule unter Führung der ISKCON geplant, diese soll im September 2008 in London eröffnet werden .

Einige Anhänger der ISKCON mit akademischen Abschlüssen gründeten noch zu Lebzeiten des Gründers das "Bhaktivedanta Institute" in San Francisco und Mumbai. Hier handelt es sich um eine Vereinigung von Wissenschaftlern, die das Konzept des Kreationismus auf der Grundlage von "Intelligent Design" in der Wissenschaft vertreten.

Beachtung fand das Bhaktivedanta Institute für zwei internationale Symposien zum Thema "Vereinbarkeit von Religion und Wissenschaft", an denen mehrere Nobelpreisträger und auch der Dalai Lama teilnahmen und für eine Reihe von Veröffentlichungen zum Unterschied zwischen Materie und Bewusstsein (z.B. "Mechanistic and non-mechanistic Science" von Thompson und den Bestseller "Forbidden Archeology" von Michael Cremo).

1997 führte das Bhaktivedanta Institute in Zusammenarbeit mit dem „Birla Institute of Technology and Science, Pilani“, einer technischen Hochschule in Indien, den ersten und bis jetzt einzigen vollwertigen Masterstudiengang für Bewusstseinsstudien ein.

Der Leiter des Bhaktivedanta Institute, Svarupa Damodar Singh, wurde 2005 bei einem Bombenanschlag im Bundesstaat Manipur getötet. Posthum wurde Singh von allen politischen Parteien und größeren sozialen Institutionen Manipurs für seine außerordentlichen Bemühungen um Frieden geehrt.

Lehren der ISKCON 

Es gibt einen Gott; dieser Gott ist persönlich; Krishna ist die höchste (eigentliche) Verkörperung Gottes (in Chaitanya zeigt sich Krishna als vollkommener Diener Gottes).
Die Lebewesen sind winzige Bestandteile Gottes; ihre eigentliche Bestimmung ist es, ihre Liebe und individuelle Beziehung zu Gott wiederzuerwecken.
Um dies zu erreichen, versuchen die Gläubigen, Krishna in der Meditation über den Klang seiner Namen zu begegnen.
Damit diese Meditation ihre volle Kraft entfalten kann, wird empfohlen, bestimmte Reinheitsgebote zu befolgen, insbesondere: Enthaltung von Fleischkonsum, Alkohol, Glücksspiel und Sexualität (außer in der Ehe und ausschließlich zur Zeugung von Kindern).

Religiöse Praxis 

Hauptform des Gottesdienstes ist das gemeinsame Singen von Sanskrit-Mantras, hauptsächlich des sogenannten Mahamantras:
 
Mahamantra in Sanskrit
Hare Krishna, Hare Krishna,
Krishna Krishna, Hare Hare,
Hare Rama, Hare Rama,
Rama Rama, Hare Hare.

Dieses Singen wird Chanten oder Sankirtan genannt. Vorgeschrieben sind täglich 16 Runden mit je 108 Wiederholungen. Zum Zählen der Wiederholungen hat jeder Gläubige eine rosenkranzartige Kette, die zum Schutz in einem Säckchen steckt.

Der Sankirtan funktioniert nach dem Prinzip „Ruf und Antwort“; das heißt ein Vorsänger singt eine Phrase auf Sanskrit, welche anschließend vom Chor wiederholt wird. Der Sankirtan erfolgt zumeist unter Begleitung charakteristischer indischer Musikinstrumente wie Harmonium, Karatalas (kleine Zimbeln) und Mridangas (eine längliche Trommel mit zwei Enden, die man sich umhängen kann).

Der Sankirtan wird eingeleitet von einer Lobpreisung Chaitanyas und seiner Jünger, welche zumeist lautet: Shri Krishna Chaitanya / Prabhu Nityananda / Shri Advaita / Gadadhara / Shri Vasadi / gaura-bhakta-vrinda. Anschließend zumeist Gesang des Mahamantras; auch Lobpreisungen Chaitanyas und seines Hauptjüngers (Haribol, Haribol, Haribol, Nitai-Gaura Haribol) sowie Prabhupadas (Prabhupad, Prabhupad, Prabhupad Jaya Jaya Prabhupad).

Es können (nach dem Prinzip „Ruf und Antwort“) auch Lieder gesungen werden, die mehr Worte umfassen; diese Sanskrit-Lieder werden als „Bhajans“ bezeichnet.

Der Sankirtan dauert im Schnitt 1½ bis 2 Stunden; vor dem Sankirtan wird häufig ein Altar mit Lichtern, Blumen(kränzen), Räucherstäbchen und so weiter geschmückt. Auf dem Altar stehen Bilder und Altargestalten (murtis), die verschiedene Formen Krishnas, beispielsweise Jagannatha oder einen Shaligram Shila, gegebenenfalls mit seiner Gefährtin Radha darstellen. Ebenso findet man dort Darstellungen von Avataren, wie Rama oder Narasimha, Chaitanya und seinen Jüngern sowie von Prabhupada und der Linie der Gurus, aus der Prabhupada stammt. Die Bilder und Gestalten gelten als „transzendental“, das heißt, sie werden als „lebendig“ angesehen.

Während des Sankirtan wird den Bildgestalten vorbereitetes vegetarisches Essen dargebracht. Dieses Gott geweihte Essen wird Prasadam genannt. Die von dem Gott angenommenen Speisen gelten als heilig. Der Verzehr der geheiligten Speisen führt zu einer Begegnung mit Krishna und befreit auch Ungläubige von allen Sünden.

Nach Beendigung des Sankirtan wird aus einem Werk Prabhupadas vorgelesen, etwa aus seinen Kommentierungen der Bhagavad Gita (Bhagavad Gita Wie Sie Ist) und des Bhagavata. Die Textstelle wird vom Vorleser interpretiert; es besteht die Möglichkeit, Fragen zu stellen.

Nach der „Predigt“ folgt mitunter noch ein kleiner Gesang oder eine Puja; anschließend die Verteilung der Opferspeisen an die Teilnehmer. Anschließend geht die Speisung über in Plauderei und Beisammen sein.

Religiöse Regeln

In ISKCON gibt es verschiedene Möglichkeiten der Mitwirkung. Im Wesentlichen unterscheidet man zwischen Ordensmitgliedern und Gemeindemitgliedern. Ordensmitglieder geloben bei einer Einweihungszeremonie, einem spirituellen Mindeststandard zu folgen, während Gemeindemitglieder nach den Möglichkeiten und individuellen Neigungen ihren Lebensstil nach Empfehlungen der Tradition ausrichten und ISKCON nach Kräften unterstützen. Das Ordensleben beschränkt sich nicht auf das Leben in den klosterähnlichen Tempelhausgemeinschaften, sondern kann auch in den eigenen vier Wänden (meist mit Familie) gelebt werden. Es gibt also auch viele verheiratete Ordensmitglieder, diese werden Grihasthas genannt. Neben in ISKCON-Tempeln lebenden Brahmacharis, findet man auch Mönche, die nach einem strengen Prüfungsverfahren und während einer weiteren Einweihungszeremonie die lebenslange Ehelosigkeit gelobt haben (Sannyasis).

Im Wesentlichen geloben Ordensmitglieder, sich an folgende Regeln zu halten:
1728-maliges chanten des „Hare-Krishna-Maha-Mantras“ täglich (16 Runden auf der traditionellen Gebetskette mit 108 Perlen, ähnlich einem Rosenkranz), möglichst in den Morgenstunden:

„Hare Krishna Hare Krishna Krishna Krishna Hare Hare,
Hare Rama Hare Rama Rama Rama Hare Hare.“
Beschränkung auf geopferte vegetarische Nahrung
Verzicht auf Drogen (inkl. Alkohol, Nikotin, Koffein)
Verzicht auf außereheliche Sexualität und Sexualität in der Ehe, es sei denn zur Zeugung von Wunschkindern
Verzicht auf Kapitalspekulation und Glücksspiel

Im Wesentlichen wird darauf geachtet, dass die Ernährung möglichst den Lehren des Ayurveda entspricht. Ordensmitglieder sollen ihre Zeit möglichst für den Ordensdienst verwenden und auf Tätigkeiten und Dinge verzichten, die als dem Yoga-Prozess entgegenstehend gelten.

Bei der Einweihung erhalten die Ordensmitglieder der spirituellen Tradition entsprechende Ordensnamen. Einweihungsanwärter tragen vor ihrem Vornamen die Bezeichnung Bhakta (für männliche Anwärter) bzw. Bhaktin (für weibliche Anwärter). Bhakta bedeutet so viel wie „hingegebener Diener“.

Gemeindemitglieder (die weitaus meisten Mitglieder der ISKCON; ca. 90 %) leben die Tradition auf individuelle Weise.

Bis in die 1980er Jahre vertrat die ISKCON eine eher konservative Einstellung gegenüber Frauen, Kindern und Familie. Von Frauen wurde eine „häusliche“ Rolle erwartet. Ehen wurden arrangiert. Zuneigung und zärtlicher Umgang im allgemeinen wurden verächtlich als Zeichen von „Anhaftung an die materielle Welt“ betrachtet. Durch das Aufbegehren ehemaliger Gurukulaschüler haben diesbezüglich seit den 1990er Jahren in der Gemeinschaft Reformbestrebungen begonnen und viele davon sind heute bereits umgesetzt worden.

Beachtet werden spezifische Fastentage und Feiertage des Hinduismus vishnuitischer Prägung. Gefastet wird insbesondere am elften Tage nach Vollmond und am elften Tage nach Neumond (Ekadashi-Tage). Gefeiert werden insbesondere der Geburtstag Chaitanyas (Gaura Purnima) im März, der Geburtstag Krishnas (Janmashtami) Ende August /Anfang September und der Geburtstag Prabhupadas (1. September 1896).

Besonderheiten der ISKCON

Nach der Grundüberzeugung vieler Anhänger des Vishnuismus steht die individuelle Seele zu Vishnu bzw. Krishna in einer Beziehung liebender Hingabe. Diese wird als Bhakti Yoga bezeichnet.
Nach den Lehren der von Chaitanya begründeten vishnuitischen Glaubensschule Gaudiya Vaishnava (zu der die ISKCON gehört), kann sich diese Haltung in fünf Formen (rasas) ausdrücken. Diese Formen sind: neutrale Haltung, Dienertum, Freundschaft, elterliche Fürsorge und eheliche Liebe.
Die individuelle Seele findet zu ihrer (noch nicht offenbarten) ursprünglichen Beziehung mit Shri Krishna (svarupa), indem sie dem Pfad eines reinen Geweihten Shri Krishnas folgt, ihm in Ergebenheit dient. Zur rechten Zeit (bei entsprechender Qualifikation) offenbart Shri Krishna dann, welche ursprüngliche Stellung die betreffende Seele hat.

Dieser Leitidee entsprechend werden die heiligen Schriften der Hindus interpretiert. Beispielsweise übersetzt Prabhupada in Bhagavad Gita Wie Sie Ist das Sanskrit-Wort bhakti, welches "Hingabe" bedeutet, als "hingebungsvoller Dienst". Er verwendet ausdrücklich diese Übersetzung - und nicht etwa das Wort Liebe -, um damit ein Abirren in wilde Spekulationen zu begegnen.

Aus der Sicht der Vaishnavas ist hingebungsvoller Dienst elementarer Bestandteil des Bhakti-Yoga. Im Srimad-Bhagavatam wird im siebten Kanto, Kapitel 5, Vers 23, erklärt: "Über Sri Vishnus transzendentalen Heiligen Namen, über Seine Gestalt, über Seine Eigenschaften, über Seinen Besitz und über Seine Spiele zu hören und zu chanten, sich an sie zu erinnern, dem Herrn ehrerbietig mit sechzehn Arten von Zubehör Verehrung darzubringen, dem Herrn Gebete darzubringen, Sein Diener zu werden, den Herrn als seinen besten Freund zu betrachten und Ihm alles hinzugeben (mit anderen Worten, Ihm mit Körper, Geist und Worten zu dienen) - diese neun Vorgänge werden als reines hingebungsvolles Dienen anerkannt." Srila Prabhupada schreibt in seiner Erläuterung zu diesem Vers: "Wenn man sich einfach immer als ewiger Diener Krishnas betrachtet, kann man vollen Erfolg erreichen, selbst wenn man keinen anderen Vorgang des hingebungsvollen Dienstes praktiziert, denn schon allein dadurch, dass man sich als ewiger Diener Krishnas fühlt, kann man alle neun Vorgänge des hingebungsvollen Dienstes ausführen." Während "dasyam" die Geisteshaltung eines Dienenden bezeichnet, steht "sevanam" für all die glücksverheißenden Dienste, die der Gottgeweihte aus Liebe Sri Krishna darbringt, um Ihn zufriedenzustellen, denn der reine Gottgeweihte ist frei von selbstischen Motiven, und sein einziger Wunsch ist es, Sri Krishna zu erfreuen.

Eine wichtige Form des "Gottesdienstes" ist die "Verteilung" von Büchern und Zeitschriften, da diese Form der Mission als effektiv gilt. Bücher mögen heute nicht gelesen werden, jedoch werden sie im Allgemeinen nicht weggeworfen. Auf diese Weise können Bücher zu jedem beliebigen Zeitpunkt an ihrem Ort die Wirkung entfalten.
 


Des Weiteren veranstalten die Tempelgemeinschaften und die Gemeindemitglieder Feste, wie das Ratha Yatra, das in vielen Städten auf der ganzen Welt zu verschiedenen Zeitpunkten gefeiert wird [8][9]. Auch sieht man gelegentlich Gemeinde- und Ordensmitglieder bei so genannten Harinams singen und Musikinstrumente spielen, mitunter durch Lautsprecher unterstützt, dabei sitzen sie entweder wie Straßenmusiker in Fußgängerzonen oder gehen an belebten Orten vorbei.

Allgemein ist festzuhalten, dass die Mitgliederfluktation bei ISKCON recht hoch ist. In Deutschland gibt es heutzutage wohl nicht mehr Anhänger als in den 60er bzw. 70er Jahren. Äußerlich betrachtet fallen sie aber auch nicht mehr so stark durch missionarische Aktivitäten und äußerliche Merkmale (indische Kleidung) auf. Die meisten sind heute berufstätig und verhalten sich entsprechend.



Bewusstseinsveränderung durch Mantra-Gesänge

Bezüglich des langandauernden Wiederholens des Mantras merken Kritiker an, dass es, wie viele Formen der monotonen Wiederholung, eine bewusstseinsverändernde Wirkung haben könne. Hierbei werde ähnlich wie bei der Vorbereitung einer Hypnose durch monotone Wiederholung der "wache Teil" des Bewusstseins "eingeschläfert" und ein psychedelischer Zustand herbeigeführt. Meditation könne im Einzelfall missbraucht werden, um Informationen direkt ins Unterbewusstsein zu vermitteln und hierdurch evtl. sog. Bewusstseinskontrolle auszuüben (vgl. Suggestion). Nach einem Artikel des "Stern" (Sept. 2006) deuten neuere wissenschaftliche Untersuchungen und klinische Tests darauf hin, dass sich Mantra-Meditation über längere Zeiträume verbessernd und stressmildernd auf einzelne Gehirnfunktionen auswirkt.

Ablehnung der Evolutionstheorie

In der (vor allem in den USA ausgeprägten) politischen Kontroverse um die Evolutionstheorie, insbesondere in der Frage, ob diese im Schulunterricht gelehrt werden darf, vertritt die ISKCON strikt den Kreationismus [2], jedoch nicht, wie er in der Bibel beschrieben wird, sondern nach der Beschreibung der Schöpfung des Srimad Bhagavatam.

ISKCON in Indien

ISKCON ist in Indien an verschiedenen wohltätigen Projekten beteiligt, dazu zählen die kostenlose Ausgabe von Prasadam in Gefängnissen und Schulen[10], medizinische Unterstützung für Opfer von Naturkatastrophen [11] und die kostenlose Verteilung von Kleidung an bedürftige Kinder[12]. Aufgrund der von ihr verkündigten sehr spezifischen religiösen Lehre (Gaudiya Vaishnava) hat die Organisation sowohl in der „religiösen Landschaft“ des Westens als auch innerhalb der Glaubensrichtungen des Hinduismus in Indien eine bedeutende reformatorische Rolle inne. Nichtsdestoweniger hat sie sich aufgrund ihrer weltweiten Verbreitung zur vermutlich bedeutendsten „Anlaufstelle“ für Auslands-Inder hinduistischen Glaubens entwickelt. Für indische Politiker ist die ISKCON eine effektive Lösung, hinduistische Landsleute im Ausland zu „erreichen“. Hieraus ergeben sich Beziehungen der ISKCON zu hochrangigen indischen Politikern, wobei jede Form von Nationalismus oder Rassismus auf der Grundlage der Bücher des Gründers eindeutig abgelehnt wird und die gemeinsame spirituelle Natur aller Lebewesen betont wird.

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Einzelnachweise 

↑ Kim Knott: CONTEMPORARY THEOLOGICAL TRENDS IN THE HARE KRISHNA MOVEMENT: A THEOLOGY OF RELIGIONS In: DISKUS Vol.1 No.1 (1993) pp.32-44; Note #9. Stand: 11. April. 2008
↑ Bericht auf der Internet-Seite einer Studenten-Zeitung der Universität York Stand: 30. Mai 2008
↑ Artikel der britischen Zeitung „The Times“ vom 14. Dezember 2007 Stand: 26. Juni 2008
↑ Liste der Mitglieder des Fakultätsvorstandes des "Oxford Centre for Hindu Studies" Stand: 26. Juni 2008
↑ Pressemitteilung der „Chinese University of Hong Kong“ (CUHK) Stand: 26. Juni 2008
↑ Lister der Partnerinstitute der Theologischen Fakultät der "University of Wales, Lampeter" Stand: 26. Juni 2008
↑ Artikel der britischen Zeitung „The Observer“ vom 24. Dezember 2006, Stand: 26. Juni 2008
↑ Artikel der Hindustan Times vom 13. Januar 2007 Stand: 11. April 2008
↑ Artikel der Hindustan Times vom 11. Juni 2007 Stand: 11. April 2008
↑ Artikel der Hindustan Times vom 21. Juni 2007 Stand: 11. April 2008
↑ Artikel der Hindustan Times vom 03. Januar 2007 Stand: 11. April 2008
↑ Artikel aus der Zeitung "The Hindu" vom 14. August 2004

Weblinks

 Commons: Category:Hare Krishna – Bilder, Videos und Audiodateien
http://www.iskcon.de Deutsche Webpräsenz der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein

Weiterführende Literatur

Krishna im Westen. Edmund Weber (Hrsg.), Studia irenica; Bd. 30; ISBN 3-8204-8903-7
The Hare Krishna Movement. Edwin Bryant, Maria Ekstrand; New York : Columbia University Press; ISBN 0-231-12256-X
Hare Krishna in America. E. Burke Rochford, Jr.; Rutgers University Press; ISBN 0-8135-1113-5
Visnuism and Sivaism. J. Gonda; Munshiram Manoharlal Publishers Pvt. Ltd.; ISBN 8-1215-0287-X
The Philosophy and Religion of Sri Caitanya: The Philosophical Background of the Hare Krishna Movement. O.B.L. Kapoor; South Asia Books; ISBN 9-7881-2150-2757
Hare Krishna and the Counter Culture. J. Stillson Judah; John Wiley & Sons Inc; ISBN 9-7804-7145-2003
Chaitanya: His Life and Associates. Mandala Publishing; ISBN 1-886069-28-X.
Chaitanya's Life and Teachings: From His Contemporary Bengali Biography the Chaitanya-Charit-Amrita (1922). Jadunath Sarkar; ISBN 9780-5487-8531-7
India's Spiritual Renaissance: The Life and Times of Lord Chaitanya. Steven Rosen; Folk Books, U.S.; ISBN 9780-9619-7630-9
The Chaitanya Movement: A Study of the Vaishnavism of Bengal. H. Milford, Oxford university press (1925)